abgeschlossen 08/2002
Laut Aussage des berufsgenossenschaftlichen Fachausschusses Bauliche Einrichtungen gewinnen kraftbetätigte Fenster in der Gebäudetechnik zunehmend an Bedeutung. Solche Fenster besitzen im Vergleich zu handbetätigten Fenstern ein erhöhtes Gefährdungspotenzial. Beim automatischen Schließen entstehen je nach Bauart Quetsch- oder Scherstellen zwischen Fensterflügel und Rahmen. Damit besteht insbesondere für Finger und Hände die Gefahr von Verletzungen wie Prellungen, Quetschungen und mitunter auch Brüchen. Quetsch- und Scherstellen an kraftbetätigten Fenstern müssen deshalb gesichert werden. Neben möglichen Lösungen über Kraftbegrenzung oder schaltende Schutzeinrichtungen steht zur Diskussion, das Gefährdungspotenzial durch eine Verlangsamung der Flügelbewegung zu minimieren. Diese Maßnahme basiert auf der Überlegung, dass bei hinreichend niedrigen Schließgeschwindigkeiten immer genügend Zeit verbleibt, Finger und Hände aus der Gefahrstelle herauszuziehen, auch wenn der Kontakt zum schließenden Fensterflügel bereits erfolgt ist. Auf Initiative des berufsgenossenschaftlichen Fachausschusses Bauliche Einrichtungen soll deshalb ermittelt werden, bis zu welcher Geschwindigkeit an einem sich schließenden Spalt zwischen Fensterflügel und Rahmen davon auszugehen ist, dass Personen ihre Finger oder ihre Hand noch gefahrlos aus diesem Spalt herausziehen können. Hierzu muss bekannt sein, wie hoch die Reaktionszeiten bei der Einwirkung von Quetschkräften sind. Bei bekannter Verformbarkeit der Finger als den am meisten gefährdeten Körperteilen kann dann aus den gemessenen Reaktionszeiten ein Vorschlag für eine als zulässig zu erachtende Schließgeschwindigkeit entwickelt werden.
Für die durchzuführenden Untersuchungen wird ein Prüfstand mit der Nachbildung eines vertikal schließenden Fensters gebaut. Der Prüfstand ist messtechnisch so ausgerüstet, dass die Zeit gemessen werden kann, die eine Person zum Herausziehen der Hand aus der Gefahrstelle benötigt, sobald sie den Kontakt mit dem schließenden Fenster spürt. Die Reaktionszeiten werden unter verschiedenen Schließgeschwindigkeiten bestimmt. Da davon auszugehen ist, dass in Alltagssituationen Personen abgelenkt sind, wenn ihre Hand in dem Fenster liegt, wird auch eine Ablenkungsbedingung realisiert. Bei den durchzuführenden Messungen wird zusätzlich die subjektive Beanspruchung der Versuchsteilnehmer erfasst.
Die Reaktionszeiten nahmen mit zunehmender Schließgeschwindigkeit ab, bis sie einen Punkt erreichten, an dem die Probanden offensichtlich nicht mehr schneller reagieren konnten. Unter Ablenkung waren die Reaktionszeiten deutlich länger als bei fehlender Ablenkung. Die subjektive Beanspruchung nahm mit der Schließgeschwindigkeit zu und war unter Ablenkung höher als bei fehlender Ablenkung. Weder bei den Reaktionszeiten noch bei der Beanspruchung waren signifikante Geschlechtsunterschiede feststellbar. Anhand der durchgeführten Untersuchungen wird für kraftbetätigte Fenster eine zulässige Schließgeschwindigkeit von rd. 300 mm/min als Maßnahme zur Vermeidung von Quetsch- oder Scherverletzungen vorgeschlagen.
Weitere Informationen:
Bauwirtschaft
Gefährdungsart(en):Mechanische Gefährdungen, Psychische Belastungen
Schlagworte:Unfallverhütung, Arbeitsumwelt (Belastungen, Gefährdungen, Expositionen, Risiken), Gefährdungsbeurteilung
Weitere Schlagworte zum Projekt:Reaktionszeiten, Quetsch- und Scherstellen, Quetschkräfte, kraftbetätigte Fenster, zulässige Schließgeschwindigkeit