Erarbeitung einer Expositionsabschätzung für das Harnblasenkrebsrisiko durch aromatische Amine und Einschätzung der Auswirkung der Erkrankung Harnblasenkrebs auf die Erwerbstätigkeit

Projekt-Nr. FF-FB 0286

Status:

abgeschlossen 11/2021

Zielsetzung:

Ziel des wissenschaftlichen Projektes ist es, in Zusammenarbeit von Arbeitsmedizin und Urologie einen Konsens zu erzielen, in dem eine orientierende Dosis für kanzerogene aromatische Amine empfohlen wird, die als relevant bzw. kausal für die Entstehung beruflich bedingter Urotheltumoren eingeschätzt werden kann.

Da die Exposition gegenüber aromatischen Aminen ubiquitär ist, kann bei Verdacht auf eine Berufskrankheit 1301 (BK 1301) der alleinige Nachweis einer Exposition nicht belegen, dass ein Harnblasenkarzinom (HBK) durch die beruflichen Einflüsse wesentlich mitverursacht wurde. Es wurde daher versucht, aus epidemiologischen oder tierexperimentellen Studien oder über eine Analogiebetrachtung über das Rauchen eine orientierende Dosis für krebserzeugende aromatische Amine abzuleiten, die als relevant für die Entstehung beruflich bedingter Harnblasentumoren im Rahmen der Begutachtung eingeschätzt werden kann. Weiterhin wurde ein Konsens von ärztlichem Personal der Arbeitsmedizin und der Urologie für die Bewertung der Exposition gegenüber krebserzeugenden aromatischen Aminen bei Verdacht auf Vorliegen einer BK 1301 angestrebt, um eine einheitlichere und damit gerechtere Beurteilung aller betroffenen Versicherten zu ermöglichen. Die Rahmenbedingungen zur Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei BK 1301 und BK 1321 wurden überprüft.

Aktivitäten/Methoden:

Es wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, Web of Science und Scopus sowie über Querverweise und manuelle Suche nach PRISMA-P Checkliste mit PICO-Formulierung und Registrierung auf dem PROSPERO-Server durchgeführt. Die Ergebnisse der Literaturrecherche sowie weitere Ansätze zur Expositionsabschätzung und Expositionsbewertung krebserzeugender aromatischer Amine bei der BK 1301 wurden auf einem Workshop vorgestellt und diskutiert. Im Anschluss wurde in einer Arbeitsgruppe von in der Begutachtung von beruflich bedingten Harnblasenkarzinomen erfahrenen Sachverständigen sowie von Statistikern die BK 1301-Matrix als Konvention zur Beurteilung und Bewertung des Ursachenzusammenhangs bei Harnblasenkarzinomen nach relevanter beruflicher Exposition gegenüber krebserzeugenden aromatischen Aminen auf der Basis der Ergebnisse eines Workshops mit über 230 Teilnehmenden erarbeitet.

Ergebnisse:

Die Kurzfassungen von 613 Artikeln wurden von zwei Wissenschaftlerinnen unabhängig voneinander gesichtet und bezüglich vorher definierter Ein- und Ausschlusskriterien beurteilt. Nach Ausschluss von 490 Artikeln wurden 123 als relevant angesehene als Volltexte gelesen. Aufgrund unzureichenden Studiendesigns und fehlender Angaben zur Exposition wurden 108 Artikel ausgeschlossen. Aus den Angaben zweier Studien, die sich jeweils auf dasselbe Studienkollektiv beziehen, wurde für o-Toluidin eine Verdoppelungsdosis für das Harnblasenkarzinomerkrankungsrisiko abgeleitet, wobei einige Limitierungen, wie z. B. eine zusätzliche dermale Exposition sowie eine mögliche Kontamination der Chemikalien mit 4-Aminobiphenyl vorliegen. Für weitere aromatische Amine, insbesondere 2-Naphthylamin und 4-Aminobiphenyl, konnte aufgrund von fehlenden Dosisangaben in Humanstudien kein entsprechender Ansatz erarbeitet werden. Die Ableitung einer Verdopplungsdosis krebserzeugender aromatischer Amine aus den zwölf tierexperimentellen Studien erschien aufgrund der teils sehr geringen Versuchstierzahl und der sehr heterogenen und damit schwer vergleichbaren Expositionsbedingungen nicht sinnvoll möglich. Es liegt eine Studie mit Ableitung einer für das Harnblasenkarzinom relevanten kumulativen Dosis krebserzeugender aromatischer Amine über die Analogiebetrachtung zum Tabakrauchen vor, die jedoch auch einige Limitierungen, wie u. a. die Rückführung der gesamten harnblasenkrebserzeugenden Potenz des Tabakrauchs auf die drei K1-Stoffe 4-Aminobiphenyl, 2-Naphthylamin und o-Toluidin, aufweist.

Bei einem Online-Workshop wurden verschiedene Ansätze zur Expositionsabschätzung und Expositionsbewertung des Harnblasenkrebsrisikos durch aromatische Amine vorgestellt und diskutiert. Wegen des weitgehenden Fehlens valider Expositionsdaten für krebserzeugende aromatische Amine wurde im Anschluss in einer Arbeitsgruppe auf der Grundlage aller vorgestellten Ansätze (u. a. über epidemiologische Daten und den Vergleich zum Risiko durch Rauchen) eine BK 1301-Matrix zur Expositionsbewertung bei Harnblasenkarzinomen nach relevanter beruflicher Exposition gegenüber krebserzeugenden aromatischen Aminen als Konvention abgeleitet, die auch bei fehlender konkreter kumulativer Expositionsdosis angewendet werden kann. Mit ihr können u. a. berufliche Indikatoren wie Expositionsdauer, Expositionshäufigkeit und Expositionsintensität aber auch das Erkrankungsalter, die Latenzzeit sowie das Rauchverhalten hinsichtlich einer Anerkennung des Harnblasenkarzinoms als BK 1301 bewertet werden.

Zur Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei anerkannter BK 1301 liegen Publikationen vor, die heute noch Bestand haben und ebenso für die BK 1321 angewendet werden können. Dabei setzt sich die MdE aus der Basis-MdE für die seelische Belastung und Beeinträchtigung durch das Tumorleiden einerseits (arbeitsmedizinisch anhand des Tumorstadiums einzuschätzen) und den organischen Funktionsstörungen der Therapie- und Tumorfolgeerkrankungen andererseits (urologisch einzuschätzen) zusammen.

Stand:

10.05.2022

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Gefahrstoffe

Schlagworte:

Berufskrankheit, Krebserregende Stoffe, Rechts- und Regelsetzung

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Urotheltumore, Harnblasenkrebs, Kanzerogene