abgeschlossen 06/2016
Psychische Erkrankungen in Folge belastender oder traumatisierender Arbeitsunfälle können die Erwerbsfähigkeit nachhaltig beeinflussen. Zur Verringerung posttraumatischer Belastungsfolgen empfehlen die Unfallversicherungsträger Erstbetreuungssysteme, in denen professionelle Dienstleister oder geschulte Laien nach Unfällen Erstbetreuung leisten. Bisher weisen die Empfehlungen zur laienbasierten Akuthilfe allerdings keine ausreichende wissenschaftliche Fundierung auf. Die vorliegende Studie wurde zur erstmaligen wissenschaftlichen Evaluation laienbasierter Erstbetreuung mit Beschäftigten des öffentlichen Personennahverkehrs als Hochrisikogruppe für posttraumatische Belastungsfolgen durchgeführt.
Im ersten Teil wurden Erkrankungsverläufe und Ausfallzeiten von 259 Beschäftigten aus zwei Verkehrsbetrieben nach Arbeitsunfällen der Jahre 2003 bis 2013 multivariat ausgewertet. Es gab drei Untersuchungsgruppen, die sich nach der Art der Erstbetreuung unterschieden (Betreuung durch Kollegen vs. Gruppenleiter vs. keine Erstbetreuung). Die Ergebnisse der statistischen Analysen zeigten erhöhte Ausfallzeiten nach leichteren Unfällen in der von Gruppenleitern erstbetreuten Gruppe. Das Risiko zur Ausbildung von Belastungsreaktionen war in der Gruppe ohne Erstbetreuung signifikant niedriger als in der kollegial Erstbetreuten. Unfälle mit Schwerverletzten und Toten führten zu den höchsten Ausfallzeiten und psychischen Folgeerkrankungen, ohne dass es dabei einen Zusammenhang zu den unterschiedlichen Erstbetreuungssystemen gab.
Im zweiten Teil der Studie wurden 26 kollegial betreute Fahrdienstmitarbeiter nach Arbeitsunfällen zum Erleben der Erstbetreuung und Versorgung befragt, zusätzlich wurden psychometrische Fragebögen eingesetzt.
Die Ergebnisse dieses Studienteils zeigen, dass für die Wirkung von Erstbetreuungssystemen eine zeitnahe, grundlegende Bedürfnisversorgung entscheidend ist und es keinen Bedarf nach Professionalisierung der Versorgung am Unfallort gibt. Bezüglich der Weiterversorgung wurde der Bedarf nach verbesserter Abstimmung und reduzierter Anzahl der professionellen Versorgungspartner ermittelt. Bei leichteren Schadensereignissen und gesicherter arbeitsmedizinischer Folgebetreuung scheint sich eine Versorgung ohne Erstbetreuung zumindest nicht negativ auf die erhobenen Belastungsfolgen auszuwirken. Die Fahrerbefragung zeigt jedoch, dass die Erstbetreuung einen sehr hohen subjektiven Wert hat und diese Systeme daher beibehalten werden sollten. Zudem wurde besonders auf Basis der Fahrerbefragung im Laufe des Projekts deutlich, dass das Erstbetreuungssystem sehr komplex ist und so auch wahrgenommen wird. Demnach hängt es nicht nur an der erstbetreuenden Person, ob Betroffene sich seitens des Betriebs gut versorgt fühlen.
Als Handlungsauftrag der Unfallversicherungsträger gilt es, für Unternehmen verbindliche Vorgaben nach schweren Schadensereignissen zu entwickeln und zu etablieren. Die Bedürfnisse zu einer besser koordinierten Weiterversorgung sprechen dafür, die arbeitsmedizinische Versorgung als zentrale Steuerungseinheit im Hilfeprozess zu verankern.
Verkehr
Gefährdungsart(en):Psychische Fehlbelastungen
Schlagworte:Prävention, Psychische Beanspruchung/Belastung, Psycho-soziale Risikofaktoren
Weitere Schlagworte zum Projekt:Erstbetreuer, Personennahverkehr