abgeschlossen 08/2010
In der kundenorientierten Dienstleistung mit Bürgerkontakt (einschl. öffentliche Verwaltung) wächst die Bedeutung der psychosozialen Arbeitsbelastung für Leistung und Gesundheit der Beschäftigten. Daher werden effiziente Methoden für die Gefährdungsbeurteilung psychosozialer Belastungsaspekte erforderlich. Projektziel war die Entwicklung eines praktikablen, bedingungsbezogenen Verfahrens zur Gefährdungsbeurteilung speziell für kundenorientierte Dienstleistungstätigkeiten, bei denen Bürgerkontakt sowie arbeitsbedingte psychosoziale Belastungen auftreten. Mittels dieses Verfahrens sollen Verbesserungsmaßnahmen im Sinne einer verhältnisorientierten Primärprävention abgeleitet werden.
Die Entwicklung einer Methode zur Gefährdungsbeurteilung unterteilt sich in zwei Schritte. Der erste Schritt ist die Verfahrensentwicklung und der zweite Schritt die Verfahrensevaluation. Zur Entwicklung des Verfahrens wurde auf Basis von Literaturanalysen und Arbeitsstudien an den relevanten Arbeitsplätzen ein hypothetischer Merkmalssatz für das Verfahren erstellt. Weiterhin wurde das Verfahren hinsichtlich seiner Vollständigkeit, Redundanz, Stufung und Verständlichkeit in Workshops von Experten beurteilt und anschließend überarbeitet. Mit dem Erstentwurf des Verfahrens wurde ein Erprobungseinsatzes an insgesamt 192 Arbeitsplätzen durchgeführt. Mithilfe des entwickelten Verfahrens wurden die Arbeitsmerkmale erfasst. Zusätzlich wurden bei den Arbeitsplatzinhabern die erlebten Arbeitsmerkmale, die kurzfristigen Beanspruchungsfolgen, mittelfristige Beanspruchungsfolgen (Emotionale Erschöpfung, Depersonalisation) und langfristige Beanspruchungsfolgen (Arbeitsfähigkeit) ermittelt. Im Anschluss an den Erprobungseinsatz wurden die Gütekriterien des Verfahrens (Objektivität, Reliabilität, Validität und Utilität) bestimmt.
Im Ergebnis des Projektes ist das Beobachtungsinterview zur Ableitung von Gestaltungshinweisen für die Arbeit mit Bürgerkontakt (BAGAB) entstanden. Es ist ein Beobachtungsinterview zur bedingungsbezogenen Erfassung der Arbeitsmerkmale. Es beinhaltet 62 Items, die überwiegend als qualitative zwei- bis fünffach gestufte Beurteilungsskalen dargestellt sind. In Bezug auf die Relevanz für die psychische Gesundheit werden links auf den Skalen die ungünstigste und rechts die günstigste Ausprägung der Merkmale angezeigt, sodass Gestaltungserfordernisse ggf. sofort ersichtlich werden. Die Auswertung erfolgt auf Basis der Einzelitems mittels einer Profildarstellung. Hinsichtlich seiner Gütekriterien erreicht das BAGAB eine gute Urteilerübereinstimmung und gute Reliabilität (k = .67). Bezüglich der Validität wurden Korrelationen zwischen den Arbeitsmerkmalen und den erhobenen Auswirkungsvariablen berechnet. Diese erreichen mit r = .30 angemessene Werte. Weiterhin konnte mittels Regressionsanalyse bestätigt werden, dass das Verfahren in der Lage ist, kritische Auswirkungen von Fehlbeanspruchung zu prädiktieren. Allerdings können auf der Basis der bisherigen Querschnittsuntersuchung nur korrelative Aussagen getroffen und keine ursächlichen Zusammenhänge bewiesen werden. Das Verfahren ist durch Führungskräfte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung einsetzbar und steht über die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV) und die Unfallkassen zur Verfügung.
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Gefährdungsübergreifende Fragestellungen, Psychische Fehlbelastungen
Schlagworte:Psycho-soziale Risikofaktoren, Psychische Beanspruchung/Belastung
Weitere Schlagworte zum Projekt:Gefährdungsbeurteilung, Bürgerkontakt, Psychosoziale Belastungen, Beobachtungsinterview zur Ableitung von Gestaltungshinweisen für die Arbeit mit Bürgerkontakt (BAGAB)