abgeschlossen 09/2013
Etwa 15-20 % der Erwerbsbevölkerung in den Industrieländern arbeiten in Schicht. Die International Agency for Research on Cancer (IARC) hat 2007 "Schichtarbeit mit Chronodisruption" in Kategorie 2a (wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen) eingestuft (IARC 2010). Die Grundlage der Entscheidung wurde in Lancet Oncology zusammenfassend dargestellt (Straif et al. 2007). Während tierexperimentelle Studien die Kanzerogenität von Chronodisruption ausreichend belegen, wird sie durch epidemiologische Studien nur eingeschränkt belegt. Letztere Studien umfassen Kohortenstudien zu Krankenschwestern und Flugbegleiterinnen. Einige neuere Ergebnisse legen nahe, dass Chronodisruption auch bei Männern Krebs, insbesondere Prostatakarzinome, verursachen könnte. Hierüber ist jedoch wenig bekannt. Wir führten eine epidemiologische Kohortenstudie zur Untersuchung der Krebsinzidenz bei männlichen Produktionsmitarbeitern der BASF SE am Standort Ludwigshafen durch.
Der Medizinische Dienst der BASF untersucht seit einigen Jahren intensiv die Gesundheit dieser Kohorte von 14128 Mitarbeitern im Schichtbetrieb und 17218 Tagarbeitern. Es liegen ihm seit 1995 elektronische Informationen zum Schichtstatus und potentiellen Confounder, wie Alter, Rauchstatus, Stellung im Beruf und Berufsdauer vor. Krebsneuerkrankungen in der Teilkohorte der in Rheinland-Pfalz wohnenden Mitarbeiter erhoben wir durch einen Abgleich mit dem Krebsregister Rheinland-Pfalz für den Beobachtungszeitraum 2000-2009. Wir verglichen die Krebsinzidenz in der Kohorte mit derjenigen der Rehinland-Pfälzer Bevölkerung mit standardisierten Inzidenz- Ratios. Mittels Cox-Regression verglichen wir das Krebsinzidenzrisiko von Wechselschichtarbeitern mit demjenigen von Tagarbeitern.
Im Beobachtungszeitraum wurden 518 bzw. 555 inzidente Krebsfälle (außer nichtmelanotischen Hauttumore) unter Wechselschicht- bzw. Tagarbeitern beobachtet, darunter 146 bzw. 191 Prostatakarzinomfälle. Die Inzidenz von Krebs insgesamt in der Kohorte unterscheidet sich nicht stark von derjenigen in der Allgemeinbevölkerung (SIR = 1,08 bzw. 0,94 bei Wechselschicht- bzw. Tagarbeitern). Die Inzidenz des Prostatakarzinoms war jedoch höher (SIR = 1,44 bzw. 1,51). Im Vergleich zu Tagarbeitern hatten Wechselschichtarbeiter kein erhöhtes Krebsrisiko (HR = 1,08; 95%-KI: 0,93-1,26) oder Prostatakrebsrisiko (HR = 0,96; 95%-KI: 0,73-1,25), aber ein nichtsignifikant erhöhtes, auf wenigen Fällen basiertes Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome und Leukämien. Bei Annahme unterschiedlicher Latenzzeit blieben die Ergebnisse qualitativ gleich. In dieser Kohorte wurde somit kein erhöhtes Risiko für die Inzidenz von Krebs insgesamt oder des Prostatakarzinoms für Arbeiter im Wechselschichtsystem gegenüber Tagarbeitern beobachtet. In Bezug auf Krebsprävention bei Schichtarbeiten ergibt sich aus der vorliegenden Studie damit kein Handlungsbedarf. Weitere Forschung ist nötig, um den Einfluss des individuellen Chronotyps, des humanen Metabolismus und unterschiedlicher Schichtsysteme auf das Krebsrisiko besser zu bestimmen.
Chemische Industrie
Gefährdungsart(en):Arbeitsbedingte Erkrankungen, Arbeitsorganisation/-schutzmanagement
Schlagworte:Arbeitsformen, Arbeitszeit, Risikoabschätzung
Weitere Schlagworte zum Projekt:Kohortenstudie zur Untersuchung der Krebsinzidenz bei Schichtarbeitern in der BASF