abgeschlossen 10/2014
Die tageszeitabhängigen Leistungsmaxima des Menschen werden durch seinen Chronotyp beeinflusst. Der Begriff Chronotyp wird in der Chronobiologie zur Kategorisierung von Menschen aufgrund ihrer inneren biologischen Uhr verwendet. Sie besitzen zu unterschiedlichen Zeiten ihre Schlaf- und Wachphasen bzw. ihr Leistungsmaximum. Unterschieden wird zwischen Frühtypen ("Lerchen"), Normaltypen und Spättypen ("Eulen"). Dies führt zu der Hypothese, dass das Unfallrisiko bei Schichtarbeitenden erhöht ist, wenn bei der Schichtzuteilung der Chronotyp nicht berücksichtigt wird.
Ziel des Gesamtprojektes war es, den Einfluss der richtigen Schichtzuteilung (Frühtypen nicht in die Nachtschicht, Spättypen nicht in die Frühschicht) auf das Unfallgeschehen zu untersuchen. Die Forschungsergebnisse sollten perspektivisch zur Reduzierung von Unfallrisiken und arbeitsbedingten Geesundheitsgefahren durch Schichtplanoptimierung genutzt werden. Zu Beginn des Projektes wurde eine Machbarkeitsprüfung durchgeführt, um die Datenverfügbarkeit für die Studie zu prüfen.
Im Rahmen der Machbarkeitsprüfung wurden Werke bzw. Bereiche der Siemens AG akquiriert. Die Unfallberichte der Beschäftigten wurden gesichtet und dokumentiert.
Insgesamt sollten ca. 50 Fälle, d. h. Beschäftigte der Siemens AG in Wechselschicht, die innerhalb der letzten drei Jahre einen meldepflichtigen Unfall hatten, für die Teilnahme gewonnen werden. Die Siemens AG führte dann mit diesen Schichtarbeitern die Befragungen mithilfe des MCTQ Shift (Munich Chronotype Questionnaire für Schichtarbeiter) durch. Dabei wurden Daten zu Schicht, Chronotyp, Schlafverhalten und Freizeitverhalten erhoben. Diese Daten wurden auf ihre Qualität und Nutzbarkeit hin geprüft und dann durch das IFA ausgewertet. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie sollen Auskunft darüber geben, ob eine Studie mit diesem Design mit einer größeren Anzahl von Teilnehmern durchführbar ist.
Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurden vier Werke der Siemens AG aquiriert. Schichtarbeiter mit einem meldepflichtigen Unfall innerhalb der letzten drei Jahre wurden angesprochen. Bei Einwilligung zur Studienteilnahme erfolgte die Ermittlung des individuellen Chronotyps mithilfe eines Fragebogens. 66 Teilnehmer wurden befragt, 58 Teilnehmer konnten in die Auswertung einbezogen werden. Die Betriebsärzte haben die Unfallberichte anonymisiert und mit den Fragebögen zur Chronotypisierung zusammengeführt. Über eine Ident-Nummer von Unfallbericht und Chronotypisierungsbogen ist die Zuordnung von Unfallbericht, Chronotypisierungsbogen und Datensatz in der Auswertung sichergestellt und die Anonymität der Teilnehmenden bleibt gewahrt.
Zur Auswertung wurde das Unfallgeschehen der Studienteilnehmer (Fälle) mit einer Allgemeinbevölkerung verglichen. Das Ergebnis zeigt in Abhängigkeit vom Chronotyp ein steigendes Risiko, beim Arbeiten in einer zeitlich ungünstigen Schicht einen Arbeitsunfall zu erleiden. Das Risiko steigt von 1,3 für moderate Früh- bzw. Spättypen über 1,5 auf 1,8 für ausgeprägte Früh- bzw. Spättypen. Die sehr frühen Chronotypen (bevorzugtes Schlaffenster zwischen 22:00 und 6:00 oder früher) und die sehr späten Typen (bevorzugtes Schlaffenster zwischen 3:00 und 11:00 oder später) haben beim Arbeiten in ungünstigen Schichten (Nacht- bzw. Frühschichten) ein bis zu 1,8-fach höheres Risiko eines Arbeitsunfall. Eine mögliche Hauptstudie zur weiteren Absicherung der Ergebnisse erscheint sinnvoll.
Elektrotechnik
Gefährdungsart(en):Arbeitsorganisation/-schutzmanagement, Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren
Schlagworte:Unfallursachen, Arbeitsformen, Epidemiologie
Weitere Schlagworte zum Projekt:Chronotyp, Schichtarbeit, Unfälle, Epidemiologie