Status:
abgeschlossen 11/2020
Zielsetzung:
Die Auswahl von Gehörschutz erfolgt heute im Allgemeinen unter der Voraussetzung eines gesunden Gehörs, das geschützt werden soll. Personen mit Hörminderung werden nicht oder kaum berücksichtigt. Für Personen mit schon bestehender Hörminderung ist die Anwendung von Gehörschutz als individuelle Schutzmaßnahme aber nur dann erfolgversprechend, wenn sie auf das eingeschränkte Hörvermögen des Nutzers abgestimmt wird. Das bedeutet zuerst eine sichere Schutzwirkung durch ausreichende Praxisschalldämmung, aber auch die sichere Wahrnehmung von Warnsignalen (z. B. Gabelstapler) und ausreichende Sprachverständlichkeit zur Kommunikation. Nur dann wird der Gehörschutz über die gesamte Zeitdauer der Lärmexposition benutzt. Für die verschiedenen Aspekte der Gehörschutzauswahl und -versorgung von Personen mit Hörminderung kommen unterschiedliche Maßnahmen in Betracht: Bestimmung der individuellen Schalldämmung, Einsatz von Gehörschützern mit elektronischen Zusatzfunktionen oder von Hörgeräten für den Lärmarbeitsplatz oder Individualprävention durch den Unfallversicherungsträger. Für all diese Maßnahmen wurden Untersuchungen zur Wirksamkeit und Akzeptanz benötigt.
Aktivitäten/Methoden:
Im Rahmen des von der DGUV geförderten Projekts „Sicherstellung der individuellen Wirksamkeit von Gehörschutz als Beitrag zur Inklusion von Personen mit Hörminderung (LÄRMINKLU)“ (FF-FP 410) wurden die genannten Maßnahmen von der Firma Lärm- und Gehörschutz-Consult Peter Sickert (LGC PS) untersucht. Das IFA unterstützte den Forschungsnehmer dabei als Kooperationspartner. Arbeitspakete des IFA umfassten:
-
Literaturstudie zu Einsatzgrenzen von pauschalen Praxisabschlägen von der Schalldämmung bei Personen mit Hörminderung
-
Labormessungen zur Eignung von audiometrischen Verfahren für die Bestimmung der individuellen Schalldämmung
-
Unterstützung bei der Konzeption und Auswertung von Befragungen von Personen mit Hörminderung zur Kommunikationsfähigkeit mit Gehörschutz
-
Unterstützung bei der Konzeption und Auswertung von Sprachtests im Betrieb mit und ohne Gehörschutz
-
Beteiligung an der Erarbeitung eines Zulassungsverfahrens von speziellen Hörgeräten als Persönliche Schutzausrüstung (PSA) oder in Kombination mit Gehörschutz für den Lärmarbeitsplatz
-
Erprobung von sprachaudiometrischen Verfahren zur Beurteilung der Eignung von Hörgeräten und Gehörschutz am Lärmarbeitsplatz
Ergebnisse:
Der Abschlussbericht des Gesamtprojekts wird auf der Internetseite „Lärminklu“ (FF-FP 410) zur Verfügung gestellt. Aus den Arbeitspaketen des IFA lassen sich folgende Ergebnisse ableiten:
-
Bei der durchgeführten Literaturstudie zeigte sich, dass die Eignung von Praxisabschlägen bei der Gehörschutzversorgung von Personen mit Hörminderung bisher nicht systematisch untersucht wurde. Da für diese Personengruppe eine möglichst genaue Einstellung der Restpegel unter dem Gehörschutz nötig ist, sind pauschale Abschläge nicht gut geeignet, sondern die Schalldämmung sollte jeweils individuell bestimmt werden.
-
Das audiometrische Verfahren zur Bestimmung der individuellen Schalldämmung lässt sich auch in der betrieblichen Praxis bei der Verwendung von Screening-Audiometern einsetzen. Dieses Verfahren wird in Zukunft im Rahmen der Empfehlung „Lärm“ (ehemals Grundsatz G20) zur Bestimmung der individuellen Schutzwirkung und ärztlichen Beratung genutzt.
-
Von LGC-PS wurden 150 Personen mit Hörminderung zu Ihren Erfahrungen mit Gehörschutz befragt. Bei der statistischen Auswertung dieser Daten durch das IFA ergab sich, dass die meisten Befragten mit ihrem Gehörschutz zufrieden sind. Signalhören und Gespräche sind meist mit geringer Höranstrengung möglich, Telefonate allerdings nicht.
-
Die vergleichenden Sprachtests von LGC-PS in den Betrieben wurden im IFA labormäßig validiert. Dies geschah auf Basis des Göttinger Satztests (GÖSA) als Wort- gegen Satzscore und auf Basis GÖSA gegen Oldenburger Satztest (OLSA). Durchgeführt wurde der:
-
Vergleich zwischen eigenem Gehörschutz und offenem Ohr,
-
Vergleich zwischen einem pegelabhängig dämmenden Gehörschutz im aktiven und passiven Modus.
-
Insbesondere für Personen mit einem moderaten oder stärkeren Hörverlust ließen sich signifikante Effekte durch den Gehörschutz nachweisen. Mit dem eigenen Gehörschutz ist die Sprachverständlichkeit schlechter als ohne Gehörschutz. Im aktiven Modus des pegelabhängig dämmenden Gehörschützers ist die Sprachverständlichkeit besser als im passiven Modus. Der GÖSA zeigte im Labor ähnliche Ergebnisse wie der OLSA, allerdings mit geringerer Trennschärfe. Er war aber in der Auswertung als Satzscore in der betrieblichen Durchführung am besten durchführbar.
-
Für die Zulassung von Hörgeräten für den Lärmarbeitsplatz wurde ein zweistufiges Verfahren erarbeitet. Die Ohrpasstücke werden als PSA nach dem neuen Prüfgrundsatz GS-IFA-P16 zertifiziert. Eine Kombination dieser Produkte ist mit Hörgeräten möglich, die dem DGUV Grundsatz 312-002 entsprechen.
Das Gesamtprojekt zeigte, dass alle untersuchten Ansätze geeignet sind, die Versorgung von Personen mit Hörminderung mit geeignetem Gehörschutz sicherzustellen. In der Praxis konnte an vielen Stellen noch Verbesserungspotenzial identifiziert werden. Daher sollen die Ergebnisse des Projekts zielgruppenspezifisch (Unfallversicherungsträger, Unternehmen, Sicherheitsfachkräfte, Betriebsärzte, Mitglieder europäischen Normungskommittee (CEN)) in verschiedenen Medien publiziert werden.
Stand:
07.06.2021