abgeschlossen 05/2011
Bedingungen und Prozesse realer Arbeitsumgebungen lassen sich durch virtuelle Realität (VR) in einem VR-Labor simulieren. Dadurch können Interaktionen zwischen Menschen und technischen Anlagen realitätsnah analysiert, gestaltet und evaluiert werden. Darüber hinaus können Neuentwicklungen oder aufwendige Änderungen an einer technischen Anlage, einer Maschinenbedienung oder einer sicherheitstechnischen Einrichtung im VR-Labor relativ schnell und kostengünstig nachgebildet und untersucht werden. Bedingungen und Prozesse, die noch nicht existieren oder gefährlich sein können, lassen sich auf diese Weise ebenso simulieren und untersuchen.
Das zentrale Anliegen des Projektes ist die Bewertung der Realitätstreue der VR. Durch eine Validierung des VR-Labors SUTAVE im Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) sollen beispielhaft Informationen darüber gewonnen werden, inwieweit daraus gewonnene Erkenntnisse denen realer Arbeitsprozesse entsprechen und darauf übertragbar sind.
Anhand einer Literaturrecherche wurden zunächst Erkenntnisse zur Realitätstreue virtueller Umgebungen sowie Methoden zum Vergleich realer mit virtuellen Umgebungen gesammelt.
Darüber hinaus waren Entwicklungsarbeiten durchzuführen, um die realen und virtuellen Umgebungen aufeinander abzustimmen. Dabei wurden Funktionalitäten (z. B. stereoskopische Darstellung) des VR-Labors überprüft und optimiert. Auch wurden Methoden zur Datenerfassung und -analyse der Mensch-Maschine-Interaktion entwickelt und in das SUTAVE-Labor integriert.
Als theoretische Grundlage für dieses Projekt boten sich psychologische Konzepte zur menschlichen Informationsverarbeitung an. Diese Konzepte heben Aufnahme, Verarbeitung und Umsetzung von Informationen als wichtige Komponenten im Arbeitsprozess hervor, die ebenso zentral sind für die Bewertung von Interaktionen zwischen Menschen und (virtuellen) Arbeitsumgebungen. In einem ersten Teil der Evaluationsstudien wurde zunächst auf die Informationsaufnahme eingegangen. Dazu wurde die Darstellungsqualität von Einwirkungsgrößen in Arbeitsprozessen (z. B. Leuchtdichte, Tiefen-/ Farbwahrnehmung) in realen und virtuellen Umgebungen untersucht. Anschließend wurden auch die Informationsverarbeitung und -umsetzung berücksichtigt. Dazu wurden Auswirkungen der Mensch-System-Interaktion und hier insbesondere der Mensch-Roboter-Interaktion auf Dimensionen des Verhaltens untersucht.
Als Ergebnisse der Evaluationsstudien zeigt sich, dass mit dem VR-Labor im IFA eine realitätsnahe Simulation von verschiedenen Arbeitsbedingungen und -prozessen möglich ist. Demonstrationen und empirische Studien für den Arbeitsschutz lassen sich durchführen. Das VR-Labor des IFA ist für einen in der nationalen und internationalen Literatur dokumentierten Einsatz von VR im Arbeitsschutz ausgelegt und bietet die Möglichkeit, inhaltlich darauf aufzubauen.
Eine der empirischen Studien bezog sich auf die Darstellungsqualität von Einwirkungsgrößen in Arbeitsprozessen. Messungen zur Leuchtdichte ergaben zwar ein niedrigeres Niveau in der virtuellen Roboterzelle im Vergleich zur realen Umgebung, allerdings waren Kontraste in beiden Arbeitsbereichen tendenziell vergleichbar. Mit den systematischen experimentellen Vergleichen zur Tiefenwahrnehmung konnten bisherige Einzelaussagen von Besuchergruppen zur praxis- und realitätsnahen Darstellung von Arbeitsprozessen in VR bestätigt werden. Untersuchungen zur Tiefenwahrnehmung in der virtuellen und der realen Roboterzelle zeigten aber auch, dass Schätzungen von Größenverhältnissen zwischen Objekten in virtuellen Räumen mit einem etwas höheren Fehler behaftet sind. Die Farbwahrnehmung war in VR im Vergleich zur realen Umgebung nur dann etwas stärker beeinträchtigt, wenn sehr viele Mischfarben verwendet wurden. Diesen auch in der Literatur bekannten Phänomenen sollte bei zukünftigen VR-Studien durch angepasste Informationsdarstellung begegnet werden.
Eine Studie zu Auswirkungen der Mensch-System-Interaktion auf das Verhalten nutzte ebenso die im VR-Labor des IFA im Maßstab 1:1 simulierte Roboterzelle. Die Aufgabenbearbeitung in der virtuellen Roboterzelle bot den Probanden ein hohes Niveau an Immersion und Präsenz, das Ergebnissen aus internationalen Studien vergleichbar ist. Symptome für Simulatorkrankheit blieben während der Untersuchungen unterhalb eines bedenklichen Niveaus und lagen damit bei internationalen Referenzwerten. Unterschiedliche Intensitäten der Mensch-Roboter-Interaktion bildeten sich auf den drei Dimensionen menschlichen Verhaltens (psychophysiologische Reaktionen, Empfinden, Arbeitsleistung) ab.
Mit diesen Studien konnte die Nutzbarkeit des SUTAVE-Labors des IFA zur Analyse, Gestaltung und Evaluation der Mensch-System-Interaktion dokumentiert werden. VR als Simulation und Methode wird zwar Feldstudien nicht ersetzen können, kann aber den Umfang dafür reduzieren. Die Ergebnisse dieses Projektes zeigen, dass mit VR valide Studien für den Arbeitsschutz durchgeführt werden können.
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Gestaltung von Arbeit und Technik, Gefährdungsübergreifende Fragestellungen, Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren
Schlagworte:Unfallverhütung, Neue Technologien, Evaluation
Weitere Schlagworte zum Projekt:Virtuelle Realität, Verifikation, Validierung, Usability, Mensch-Maschine-Interaktion, kollaborierende Roboter, Arbeitsschutz