abgeschlossen 12/2017
Bei der Bewertung des Zusammenhangs zwischen beruflicher Exposition und Erkrankung ist von Bedeutung, dass krebserzeugende Gefahrstoffe an Arbeitsplätzen häufig nicht einzeln, sondern in Kombination auftreten (wie beispielsweise Asbest und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Quarz und Strahlung oder Chrom und Nickel). Die Bewertung von Gesundheitsrisiken nach Mehrfachexposition, insbesondere von krebserzeugenden Gefahrstoffen, ist somit für die arbeitsmedizinische Prävention und für die Beurteilung bei der Anerkennung einer Berufskrankheit von hoher Bedeutung. Das kombinierte Auftreten von Gefahrstoffen erschwert jedoch die Beurteilung möglicher Krebsrisiken, da hierzu umfangreiche Studien und verlässliche Expositionsabschätzungen vorliegen müssen.
Ziel des Forschungsvorhabens "SYNERGY" war deshalb, das Zusammenwirken von fünf ausgewählten beruflichen Karzinogenen (hexavalentes Chrom (CrVI), Nickel, PAK, Quarz und Asbest) und Tabakrauch bei der Entstehung von Lungenkrebs im Rahmen von bevölkerungsbezogenen Fall-Kontroll-Studien zu untersuchen. Unser Forschungsansatz fokussierte dabei auf die Zusammenführung früher durchgeführter Studien in einem großen gepoolten Datensatz, der eine ausreichend große Datenbasis schaffen sollte, um den Versuch einer statistisch belastbaren Analyse von Kombinationswirkungen krebserzeugender Stoffe durchführen zu können. Zu diesem Zweck wurden internationale bevölkerungsbasierte Fall-Kontroll-Studien zu Lungenkrebs, die Daten zu lebenslangen beruflichen Expositionen und das Rauchverhalten erhoben haben, eingeschlossen. Die gepoolte Studie bildet somit eine der weltweit umfangreichsten epidemiologischen Datengrundlagen für die Analyse von beruflichen Lungenkrebsrisikos.
Für die gepoolte Analyse wurden die Originaldaten früherer Lungenkrebsstudien zusammengeführt. Derzeit sind sechzehn Fall-Kontroll-Studien in SYNERGY eingeschlossen: Diese stammen aus Kanada (2), Frankreich (3), Deutschland (2), Italien (3), Schweden (1), Spanien (1), den Niederlanden (1), Neuseeland (1) und China (1). Darüber hinaus wurde eine Multi-Center-Studie der IARC in Mittel- und Osteuropa und Großbritannien mit insgesamt sieben Zentren in die Analyse aufgenommen. Insgesamt wurden nahezu 18.000 Lungenkrebsfälle und 22.000 gesunde Kontrollpersonen in die gepoolte Analyse eingeschlossen, die somit die bisher größte epidemiologische Datenbasis zu beruflichem Lungenkrebs bildet. Für SYNERGY sollte die sehr große Zahl von Messdaten in Datenbanken wie MEGA am Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) oder COLCHIC in Frankreich am Institut National de Recherche et de Sécurité in einem innovativen Ansatz in die Expositionsabschätzung einbezogen werden. Den größten Anteil von Messungen hat dabei die MEGA-Datenbank.
Insgesamt wurden 356.551 Expositionsmessungen berücksichtigt, von denen 100.000 personengetragene Messwerte für die Expositionsabschätzung verwendet wurden. Zusätzlich zu den Arbeitsplatzkonzentrationen wurden umfangreiche Angaben zur Messung übermittelt, darunter der Anlass der Messung, das Messgerät, die Messdauer und die Analysemethoden. Aus diesen Daten und durch Experten gestützte Abschätzung der historischen Belastungen wurde eine Job-Expositions-Matrix (SYN-JEM) hergeleitet, die für jeden Studienteilnehmer und Beruf eine mittlere Gefahrstoffexposition mithilfe umfangreicher statistischer Modelle quantitativ abschätzt, aufgegliedert nach Region und Kalenderjahr. Im Modell wurden darüber hinaus die technischen Begleitinformationen berücksichtigt. Für die Untersuchung der Kombinationswirkungen sollten verschiedene Expositionsmetriken (kumulative Maße, mittlere Konzentrationen oder Spitzenbelastungen) und Modelle unter Einbeziehung von Rauchen betrachtet werden.
Populationsbasierte Studien wie SYNERGY bieten, anders als in spezifischen Industrien durchgeführte Kohorten, für die Risikobewertung eine besondere Chance, da diese Studien eine Vielzahl von beruflichen Tätigkeiten abdecken können. Weitere Vorteile von SYNERGY sind die einmalig großen Fallzahlen (auch unter den Frauen), die Expositionsmodellierung mit Messdaten zur Ableitung stofflicher Risiken und die Möglichkeit, für das Rauchverhalten als wichtigstem Risikofaktor für Lungenkrebs zu adjustieren. Auch kann das Lungenkrebsrisiko für Nie-Raucher ermittelt werden. Designbedingt können aus Fall-Kontroll-Studien jedoch die durch eine Exposition entstandenen Fälle bzw. assoziierte Exzessrisiken nicht direkt abgeleitet werden. SYNERGY fokussiert daher auf die Beschreibung von Dosis-Effekt-Beziehungen und Interaktionen auf Basis relativer Risikomaße (in diesem Falle die Odds Ratio (OR)).
Die administrative Koordination der SYNERGY-Studie wurde durch die Internationale Krebsagentur der WHO (IARC), das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA) und das Institut für Risk Assessment Sciences (IRAS) in Utrecht durchgeführt. Weitere Informationen zum SYNERGY-Projekt sind unter http://synergy.iarc.frverfügbar.
Zusatzuntersuchungen im Rahmen von SYNERGY:
Parallel zu den Hauptfragestellungen von SYNERGY wurde zunächst eine große Zahl von Zusatzuntersuchungen, v. a. zu ausgewählten Risikoberufen, durchgeführt. Hierbei sollte zunächst festgestellt werden, für welche Berufe besondere Präventionsmaßnahmen erforderlich sind bzw. welche Berufe im Rahmen BK-rechtlicher Betrachtungen gegebenenfalls zukünftig berücksichtigt werden könnten.
Welche Berufe sind mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko assoziiert?
Unter Federführung des IPA wurden Analysen für Schweißer, Bergarbeiter und Bäcker durchgeführt (Kendzia et al. 2014, Taeger et al. 2015, Behrens et al. 2013). Für hauptberufliche Schweißer und Gelegenheitsschweißer stieg das Lungenkrebsrisiko mit zunehmender Dauer der Beschäftigung an. Dabei wurde für Personen, die regulär als Schweißer gearbeitet hatten, im Vergleich zu Personen, die nur gelegentlich geschweißt hatten, höhere Lungenkrebsrisiken beobachtet (Kendzia et al. 2014). Die im Rahmen von SYNERGY durchgeführte Risikoschätzung mit einer großen Zahl von Schweißern wurde durch die IARC im Frühjahr 2017 bei der Einstufung von Schweißrauch als Humankarzinogen (Gruppe 1) als wichtiges Ergebnis berücksichtigt. Erhöhte Lungenkrebsrisiken ergaben sich auch für Bergleute (mit stärker ausgeprägten Risiken und zeitlichen Trends im Erzbergbau als im Kohlebergbau, Taeger et al. 2015), Maurer (Consonni et al. 2015) und Frisörberufe (Olsson et al. 2013). Für Bäcker (Behrens et al. 2013), Köche (Bigert et al. 2015) und Feuerwehrleute (Bigert et al. 2016) konnten dagegen keine erhöhten Lungenkrebsrisiken beobachtet werden.
Weitere Untersuchungen:
Das IPA hat detailliert den Einfluss des Rauchens auf die Verteilung der histologischen Subtypen des Lungenkrebses untersucht. Dabei wurde bestätigt, dass Plattenepithelkarzinome und kleinzellige Karzinome weitaus stärker mit dem Rauchen assoziiert sind als Adenokarzinome (Pesch et al. 2011). Das IPA führte darüber hinaus Analysen zum beruflichen Sozialprestige und beruflichem Sozialstatus im Hinblick auf das Lungenkrebsrisiko durch. Es wurden unabhängig vom Tabakrauchen und beruflichen Expositionen gegenüber bekannten Lungenkrebskarzinogenen erhöhte Krebsrisiken für einen niedrigen Sozialstatus (Hovanec et al. 2018) sowie ein niedriges Sozialprestige beobachtet (Behrens et al. 2016). Interessant war auch die Beobachtung, dass ein Verlust von Sozialprestige über das Berufsleben tendenziell mit einem erhöhten Risiko verbunden war (Behrens et al. 2016). Weiterhin wurde eine Analyse zum Lungenkrebsrisiko bei beruflicher Exposition gegenüber organischen Stäuben unter Federführung des IRAS publiziert. Eine Exposition war mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko assoziiert und zeigte einen Dosis-Wirkungs-Trend mit steigender beruflicher Exposition. Die Vermutung, dass bestimmte organische Stäube das Immunsystem aktivieren und so schützend für Lungenkrebs wirken könnten, konnte nicht bestätigt werden (Peters et al. 2012). Federführend wurde von der IARC eine Auswertung zum Lungenkrebsrisiko nach beruflicher Exposition gegenüber Dieselmotoremissionen (DME) durchgeführt. Für diese Analysen wurde die Exposition nicht durch Messdaten, sondern von Experten semi-quantitativ als fehlend, gering oder hoch abgeschätzt. Mit zunehmender (semiquantitativer) DME-Belastung zeigte sich ein steigendes Lungenkrebsrisiko (Olsson et al. 2010). Die IARC konnte darüber hinaus zeigen, dass chronische Atemwegserkrankungen wie eine chronische Bronchitis und ein Emphysem mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko assoziiert sind (Denholm et al. 2014).
Stoffliche Analysen in SYNERGY:
Da das Krebsrisiko in industriebasierten Kohorten meist mit historisch hohen Belastungen untersucht wurde, sind Aussagen für den Niedrigdosisbereich aus diesen Studien nur schwer ableitbar. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Dosis-Effekt-Beziehung für Asbest und Lungenkrebs liegen daher bislang vor allem für Berufe mit einer hohen Exposition am Arbeitsplatz vor, beispielsweise bei der Herstellung und Verarbeitung von Asbestzement und Asbesttextilien. Hier ist der Ansatz, berufliche Risiken in bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studien zu untersuchen, von besonderer Bedeutung, da in diesen Studien klassische Hochrisikoberufe typischerweise fehlen und stattdessen eine Vielzahl von Berufen mit eher niedrigen beruflichen Expositionen erfasst sind. Es gibt bisher nur wenige Studien mit verlässlichen Risikoschätzungen im Niedrigdosisbereich, die jetzt im Rahmen von SYNERGY detailliert ausgewertet werden konnten. Das Lungenkrebsrisiko in SYNERGY war bei Männern bereits ab 0,5 Faserjahren auf etwa das 1,25-fache erhöht. Die höchste Expositionskategorie für Asbest lag in SYNERGY bei >2,8 Faserjahren, die mit einer OR von 1,38 (95 % KI 1,27-1,50) assoziiert war.
Kombinationswirkungen mit dem Rauchen:
Aufgrund der umfassenden Fallzahlen in SYNERGY haben wir versucht, die Kombinationswirkung zwischen Asbest und Rauchen zu berechnen. Bisher konnten wir die kombinierten Effekte auf das Lungenkrebsrisiko für Personen, die niemals/jemals geraucht hatten, in Kombination mit einer Exposition gegenüber Asbest (niemals/jemals) ermitteln. Für eine Asbestexposition unter Nie-Rauchern wurde dabei eine Odds Ratio von 1,26 (95 % KI 1,04 - 1,53) beobachtet. Männliche Raucher ohne Asbestexposition zeigten eine OR von 9,23 (95% KI 8,13 - 10,5), die im Falle einer kombinierten Exposition (jemals Rauchen und jemals Asbest) auf OR=11,9 (95 % KI 10,5 - 13,3) anstieg. Die Kombinationswirkung von Asbest und inhalativem Rauchen zeigt also einen überadditiven Effekt (Olsson et al. 2017). Dieses Ergebnis wurde in einem vergleichbar großen Datensatz bisher nicht in der Literatur beschrieben und ist auch aus mechanistischer Sicht plausibel.
Limitationen bei der Analyse stofflicher Risiken in SYNERGY:
Als grundsätzliche Schwierigkeit ist zu nennen, dass aufgrund des starken Einflusses des Rauchverhaltens es schwierig ist, das (vergleichsweise geringere) Krebsrisiko für Gefahrstoffe zuverlässig zu ermitteln. Starke Raucher haben ein 100fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Plattenepithel- oder kleinzelligen Lungenkrebses (Pesch et al. 2012). In der Regel haben viele beruflich exponierte Beschäftigte in der Vergangenheit auch geraucht, sodass die Gefahr besteht, dass gefahrstoffbezogene Risiken durch den dominanten Einfluss des Rauchens unterdrückt werden. SYNERGY mit einer relevanten Anzahl von Nie- bzw. Niedrigrauchern ermöglichte hier gezielte Analysen von Nichtrauchern, um das Lungenkrebsrisiko bei Exposition gegenüber Gefahrstoffen zu ermitteln. So konnten wir u.a. zeigen, dass männliche Nie-Raucher bei einer Asbestexposition von mehr als 1,2 Faserjahren im Vergleich zu Nie-Rauchern ohne Asbestexposition eine OR von 1,51 (95 % KI 1,16 - 1,97) aufwiesen. Generell ist eine Abschätzung der Exposition in epidemiologischen Studien mit einer gewissen Unsicherheit verbunden, die zu einem "Bias" bei der Risikoschätzung führen kann. Messwerte aus sekundären Messdatenbanken (also Messungen an anderen Personen als den Studienteilnehmern) und Datenbanken einzelner Länder (wie MEGA oder COLCHIC) wurden in SYNERGY genutzt, um eine typische mittlere Exposition von Studienteilnehmern auch aus anderen Ländern abzuschätzen. Darüber hinaus fehlten personenbezogene Messdaten für länger zurückliegende Berufsphasen, also zu Zeitperioden, auf die sich die Berufsbiographien der meisten Studienteilnehmer bezogen. Viele Messungen erreichten darüber hinaus nicht die analytische Nachweisgrenze und mussten für die Analyse mit statistischen Verfahren durch einen Schätzwert ersetzt ("imputiert") werden. Auch eine weitere mögliche Quelle für Fehlklassifikationen der Exposition liegt in der Natur der Messwerte. Anders als in spezifischen industriellen Kohorten kommen klassische Hochrisikoberufe in bevölkerungsbasierten Studien nur selten vor, z. B. Arbeiter in der Asbestzementherstellung (Peters et al. 2016). Die meisten Asbestmessungen in SYNERGY stammten jedoch aus diesen Hochrisikoberufen. Um die Messdatenbasis zu vergrößern, wurden auch diese sowie Messwerte in Berufen, die üblicherweise nicht exponiert sind, für die Expositionsabschätzung herangezogen. Die Stärke eines möglichen Bias aufgrund einer Fehlklassifikation der Exposition hängt dabei entscheidend von der Prävalenz des Risikofaktors (je seltener, desto stärker) und von der Spezifität der Expositionsabschätzung ab. Die Fehlklassifikation von nicht exponierten Personen als exponiert erzeugt dabei eine stärkere Verzerrung als die Fehlklassifikation von Exponierten als nicht exponiert. In SYNERGY wurde eine hohe Sensitivität der Expositionsabschätzung angestrebt, was zu einer hohen Expositionsprävalenz (z. B. 40 % der Männer jemals asbestexponiert) führt (Olsson et al. 2017). Wenn nicht nach dem Schweißverfahren unterschieden werden kann, kann es darüber hinaus zu einer Fehlklassifikation z. B. bei der Abschätzung der Exposition gegenüber Cr(VI) und Nickel kommen. Die stofflichen Expositionen können sich je nach eingesetztem Schweißverfahren um mehr als den Faktor 100 unterscheiden (z. B. bei Cr(VI) 0,05 μg/m³ für Laserschweißen und 7,9 μg/m³ für Lichtbogenhandschweißen, Pesch et al. 2015). Eine genauere Expositionsschätzung für Schweißer erfordert die Auswertung tätigkeitsspezifischer Jobmodule mit detaillierteren Informationen zum Schweißverfahren, die nur in einem Teil der SYNERGY-Studien erhoben werden konnten. Das IPA hat diese detaillierten Daten aus den zwei deutschen Teilstudien mit Zusatzinformationen zum Schweißverfahren in einer separaten Analyse zu stofflichen Lungenkrebsrisiken beim Schweißen ausgewertet und dazu eine messwertgestützte "Welding Exposure Matrix" (WEM) entwickelt. Die WEM liefert also genauere Informationen als die SYN-JEM zur stofflichen Exposition von Schweißern gegenüber Schweißrauch, Cr(VI) und Nickel in Abhängigkeit vom eingesetzten Schweißverfahren. Die Ergebnisse zu Lungenkrebsrisiken von Schweißern in Abhängigkeit von der Exposition der Einzelstoffe hat das IPA in einem Manuskript, das demnächst publiziert werden soll, dargestellt, wobei die Aufteilung des Krebsrisikos auf Einzelstoffe schwierig sein kann, da Gesamtchrom bzw. Cr(VI) und Nickel im Schweißrauch hoch korreliert sein können (Weiss et al. 2013).
Fazit:
SYNERGY hat sich zu einer bedeutenden Plattform für die arbeitsmedizinische Lungenkrebsforschung entwickelt. Die Größe der Datenbank erlaubt die Schätzung für berufliche und stoffliche Risiken und erlaubt auch die Analyse der Krebsrisiken in relevanten Subgruppen wie Frauen und Nie-Raucher. Neben Asbest werden derzeit noch Dosis-Wirkungs-Beziehungen für die weiteren im SYNERGY-Projekt im Fokus stehenden krebserzeugenden Gefahrstoffen verfolgt. Die bislang erzielten Risikoschätzungen für die ausgewählten Gefahrstoffe liefern jedoch bereits wichtige Erkenntnisse für den Niedrigdosisbereich und das Zusammenwirken mit dem Rauchen. Insgesamt lässt sich jedoch feststellen, dass die epidemiologische Expositions- und Risikoschätzung bei überwiegend nicht stark exponierten Berufen mittels sekundärer Messdaten, wie sie in SYNERGY vorliegen, aufgrund der Komplexität der Expositionsbedingungen an Grenzen stößt. Diese Komplexität hat auch dazu geführt, dass bisher keine weiteren Interaktionen zwischen den fünf Modellkarzinogenen aus SYNERGY (Cr(VI), Ni, Asbest, PAK und Quarz) abgeleitet werden konnten. In der Regulation wird zunehmend diskutiert, wie das Zusammenwirken mehrerer Karzinogene bei der Beurteilung von Berufskrankheiten bewertet werden sollte, wenn keine konkreten Zahlen zur Kombinationswirkung einzelner Gefahrstoffe vorliegen. Wir haben in einer aktuellen Publikation (Behrens et al. 2018a) argumentiert, dass vereinfachende Annahmen, z. B. in Sinne einer einfachen Addition von Einzelrisiken, den komplexen Expositionsumständen in Betrieben bzw. den komplexen Mechanismen bei der (Krebs)entstehung nicht gerecht werden können. Für die Prävention können diese Schemata möglicherweise Verwendung finden, jedoch ist eine einfache additive Betrachtung zweier Karzinogene nicht als "Goldstandard" bei der Krebsentstehung anzusehen. Hier können eine Vielzahl von molekularen, genetischen, beruflichen und außerberuflichen Expositionen bzw. Risikofaktoren zu Krebs führen, bei denen additive synergistische Effekte zweier Gefahrstoffe nur in wenigen Fällen ursächlich sind. Für die Berücksichtigung von möglichen Kombinationswirkungen bei Abwesenheit konkreter epidemiologischer Daten haben wir deshalb eine Öffnung der Bewertung synergistischer Effekte im Sinne einer qualitativen Bewertung vorgeschlagen, sofern wissenschaftliche Evidenz für eine kumulierende Wirkung zweier Gefahrstoffe vorliegt. Die konkreten Rahmenbedingungen und die erforderliche Evidenz für eine solche Öffnungsklausel zur Synkanzerogenese sollten im Dialog zwischen Medizinern, Naturwissenschaftlern und Juristen noch festgelegt werden. Aufgrund der oben geschilderten Umstände können dabei bislang keine SYNERGY-Ergebnisse zu Fragen der Synkanzerogenese für das BK-Recht genutzt werden. Erkenntnisse aus SYNERGY sollten deshalb auf präventive berufliche Aspekte fokussieren (Behrens et al. 2018b). Dennoch bietet SYNERGY eine Plattform für die Durchführung weiterer Analysen, die auch zukünftig wichtige Erkenntnisse zu Fragen der arbeitsmedizinischen Prävention liefern können. Dazu gehören beispielsweise die Untersuchung der Zeitmuster der Exposition von mehreren Gefahrstoffen (parallel oder zeitversetzt), eine eingehende Exploration der mit unterschiedlichen Methoden gewonnenen Messdaten, alternative Annahmen zur historischen Belastung und die Anwendung weiterer statistischer Verfahren zur Behandlung von Messdaten unterhalb der Nachweisgrenze.
Links zu deutschsprachigen Artikeln, die frei zugänglich sind
ASU:
IPA Journal:
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):Arbeitsbedingte Erkrankungen, Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren, Gefahrstoffe
Schlagworte:Arbeitsumwelt (Belastungen, Gefährdungen, Expositionen, Risiken), Prävention
Weitere Schlagworte zum Projekt:Berufskrankheit, krebserzeugende Stoffe, Synkanzerogenese, Asbest, Quarz, Strahlung, Chrom, Nickel