Der deutsche Arbeitsmarkt braucht Migration, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Folglich müssen Präventionskonzepte zunehmend Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede berücksichtigen. Eine Umfrage unter Aufsichtspersonen bestätigt die Dringlichkeit, Sicherheitsunterweisungen auf neue Art zu vermitteln.
Im Jahr 2022 hatten laut statistischem Bundesamt 23,8 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Dies entspricht 28,7 Prozent der Bevölkerung. Aufgrund der weiten Definition ist die Gruppe sehr heterogen. Die Frage, ob zugewanderte Menschen in erhöhtem Maße für Arbeitsunfälle gefährdet sind, lässt sich nicht pauschal beantworten. Vieles deutet darauf hin, dass Bildungsgrad, Sprachkenntnisse und das gelernte Sicherheitsverhalten ausschlaggebend sind.
Um herauszufinden, wie hoch der Bedarf für Prävention im Kontext von Migration ist, startete das Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) eine Umfrage unter Aufsichtspersonen. Rund 75 Prozent von Ihnen finden, Migration ist ein wichtiges Thema für die Prävention. Die größten Herausforderungen sehen sie in Sprachbarrieren und fehlenden Qualifikationen. "Menschen mit Migrationshintergrund, die einen niedrigen Bildungsgrad haben, nicht gut Deutsch sprechen und keinen Berufsabschluss haben, scheinen stärker gefährdet, einen Arbeitsunfall zu erleiden", sagt Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der DGUV, und ergänzt: "Denn diese Personen werden häufig an Arbeitsorten oder in Branchen mit besonderen Gefährdungen eingesetzt, zum Beispiel im Baugewerbe oder in der Metallindustrie." Fehlende Sprachkenntnisse können zudem die Ursache für einen Unfall sein, wenn Unterweisungen nicht oder warnende Zurufe zu spät verstanden werden. Aber auch kulturelle Unterschiede spielen eine Rolle. So erweisen sich Erfahrungen mit Sicherheit und Gesundheit im Herkunftsland, wo es häufig keine oder veraltete Schutzausrüstungen und Geräte gibt, als prägend für das weitere Berufsleben. Religiöse Traditionen wie das Gebot, während des Ramadans tagsüber nicht zu essen, können die Leistungsfähigkeit einschränken und Arbeitende gefährden.
Rund 82 Prozent der vom IAG befragten Aufsichtspersonen finden, die Unternehmen brauchen Unterweisungskonzepte speziell für Menschen mit Migrationshintergrund. Auch Sprachunterricht (76,6 Prozent) und fachliche Qualifizierungen (63,3 Prozent) werden als wichtig eingestuft. Zudem sollten Führungskräfte für unterschiedliche Kulturen sensibilisiert (57,4 Prozent) und weniger textlastige Präventionsmittel entwickelt werden. Denn fehlen Sprachkenntnisse, kann über Filme, Bilder und Piktogramme auch ohne Worte sicherheitsrelevantes Verhalten dargestellt werden. "Bei Unterweisungen sollten Dinge gezeigt und Abläufe gemeinsam durchgespielt werden. Es muss immer überprüft werden, ob alles verstanden wurde", so Hussy. "In Unternehmen mit mehreren Menschen aus einem Herkunftsland kann es sinnvoll sein, eine Person aus diesem Kreis mit guten Deutschkenntnissen als Sicherheitsbeauftragte oder Sicherheitsbeauftragten zu benennen. So kann das Wissen auch in der Herkunftssprache weitergeben werden."
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Die Comicfigur „Napo“ zeigt ohne Worte, worauf es bei sicherem und gesundem Arbeiten ankommt.