In der Explosivstoff-Industrie ist der jährlich stattfindende Erfahrungsaustausch seit vielen Jahren eine feste Größe im Kalender: Am 13.09. und 14.09.2018 trafen sich rund 80 Experten aus der Sprengstoff- und Pyrotechnik-Industrie sowie Behördenvertreter der Bundesländer und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Magdeburg bzw. Schönebeck. Die vom Sachgebiet "Explosionsgefährliche Stoffe" organisierte Tagung fand auch in diesem Jahr wieder regen Anklang.
Der erste Veranstaltungstag wurde traditionsgemäß zum intensiven Austausch zu den unterschiedlichsten und aktuellen Themen in dieser Branche genutzt. So informierte z. B. Herr Peter Wunderlich (BG RCI) über die "Neuerungen zu den Grundsätzen für die Anerkennung und Durchführung von Lehrgängen nach dem Sprengstoffgesetz". Die BG RCI führt in ihrer Ausbildungsstätte in Laubach verschiedene staatlich anerkannte Lehrgänge für z. B. den Umgang mit Explosivstoffen oder pyrotechnischen Sätzen und Gegenständen durch. Die Anfang 2018 durch das Bundesministerium des Innern bekanntgegeben neuen Grundsätze haben sowohl Auswirkungen auf die inhaltliche und zeitliche Gestaltung der Lehrgänge als auch insbesondere auf die Abschlussprüfungen der Grundlehrgänge.
Ein Schwerpunkt des ersten Tages lag in dem Bereich des Nofallmanagements. Gerade bei dem Umgang mit Explosivstoffen müssen sich die Unternehmen mit der Frage beschäftigen "Was ist zu tun, wenn etwas passiert?". Dass entsprechende Vorbereitung wichtig ist, wusste Herr Dr. Peter Lechner (Ruag Ammutec) zu berichten. Er wies auf die notwendige Notfallorganisation hin und konnte den Teilnehmern viele Tipps für ein erfolgreiches Notfallmanagementsystem nahebringen.
Bezugnehmend auf die Gefährdung durch Explosivstoffe sind grundlegende Dinge, wie z.B. Schutz- und Sicherheitsabstände, Bauausführung, Anlagentechnik und Explosionsschutz, konzessionierte Mengenbelegung, vielfältige Schutzmaßnahmen im anlagentechnischen Bereich, konkrete Ausführung von Schutzeinrichtungen auf Basis von Gefährdungsbeurteilung und Einstufungsversuchen oder auch die regelmäßige Überprüfung der Einrichtungen, zu berücksichtigen. In diesen Rahmen passte auch der von Dr. Dietrich Eckhardt (vormals BAM) vorgestellte und vom Sachgebiet "Explosionsgefährliche Stoffe" beauftragte Lehrfilm "Sicherheitsbetrachtungen für die Herstellung pyrotechnischer Sätze und Gegenstände". Der Lehrfilm kann u.a. zur audiovisuellen Begleitung des 5-tägigen On-Site-Kurses "Pyrotechnik I (Staatlich anerkannter Grundlehrgang für den Umgang – ausgenommen das Verwenden – mit pyrotechnischen Sätzen und Gegenständen)" genutzt werden. Der neu konzipierte Lehrfilm dient u.a. zur Verbesserung der Vermittlung von fachlichen Informationen und Fragestellungen durch den Einsatz modernster Gestaltungsmittel wie z.B. 2D- und 3D-Animation, "State-of-the-Art" Kameratechnik inkl. High-Speed-Aufnahmen und Greenscreen-Techniken.
Des Weiteren eignet sich der Film aber auch hervorragend zum Einsatz im Rahmen der betrieblichen Unterweisungen. Über den Medienshop der BG RCI ist dieser als DVD kostenfrei für unsere Mitgliedsunternehmen zu erhalten. Unternehmen, die nicht bei der BG RCI versichert sind, können den Film für einen Unkostenbeitrag von 30 € erwerben. Aufbauend auf den Bericht von Herrn Dr. Lechner gab Herr Stephan Rohn (BG RCI) tiefere Einblicke in die möglichen Folgen von psychisch Betroffener. Anschaulich konnte er den Zusammenhang zwischen Unfällen und Notfallpsychologie deutlich machen und zeigte Möglichkeiten der schnellen Hilfe psychisch Betroffener auf.
Auch über (aktuelle) Unfälle beim Umgang mit Explosivstoffen wurde im Rahmen dieser Veranstaltung berichtet. Ohne Frage hat sich der Arbeitsschutz in der Explosivstoffindustrie in den vergangenen Jahren außerordentlich positiv entwickelt. Aber noch immer passieren im Bereich der BG RCI Unfälle, die aber vermehrt ohne Personenschaden ablaufen. Ein Grund ist hier, dass viele gefährliche Tätigkeiten "Unter Sicherheit" (Anmerkung: Tätigkeiten „Unter Sicherheit“ sind Tätigkeiten, bei denen aufgrund hoher Gefährdungen der Versicherten durch Brand- oder Explosionswirkungen zusätzliche Schutzmaßnahmen, insbesondere bauliche, anlagen- und steuerungstechnische Maßnahmen, die eine räumliche Trennung von Mensch und Brand oder Explosionsgefahr gewährleisten, erforderlich sind.) Vertreter verschiedener Herstellungsbetriebe konnten anhand der nach einem Unfall durchgeführten Aufarbeitung Hinweise zur jeweiligen Ursache und Tipps zur Vermeidung von solchen Unfällen geben. Ein wichtiges Ziel dieses Erfahrungsaustausches ist es, aus jedem Unfall zu lernen, damit sich Unfälle in anderen Betrieben nicht wiederholen. Die vorgestellten Ereignisse wurden daher ausführlich beleuchtet und umfassend mit den Teilnehmern diskutiert.
Am zweiten Veranstaltungstag nutzten die Tagungsteilnehmer auf Einladung der Nammo Schönebeck GmbH die Möglichkeit, sich am Firmensitz des Mitgliedsunternehmens der BG RCI in Schönebeck über die modernen Produktionsabläufe bei der Herstellung Sportmunition zu informieren. Die Nammo Schönebeck GmbH, früher unter dem Namen Lapua GmbH bekannt, ist der älteste noch produzierende Munitionshersteller Deutschlands und einer der größten Hersteller für Kleinkalibermunition in Europa. Seit 186 Jahren wird in Schönebeck an der Elbe Munition hergestellt, vor allem für die Jagd und das sportliche Schießen. Heute ist Nammo Schönebeck ein weltweit erfolgreicher Hersteller von Kleinkaliberpatronen. So wurden z.B. bei der Winter-Olympiade 2014 in Sotschi 32 von 33 Medaillen mit Munition aus Schönebeck gewonnen. Im Lapua-Service-Center werden Munitionstests für Top-Athleten, Schützenvereine, Händler und Kunden durchgeführt. So weiß der Anwender genau, ob und welche Munitionslose für seine Waffe passend sind. Die Sportmunition wird heute auf modernen Maschinen hergestellt und an Kunden in über 50 Ländern geliefert. Die von Mathias Herms und seinem Team hervorragend organisierte Betiebsbegehung fand bei den Teilnehmern großen Anklang.
Nach der Besichtigung der Patronenfertigung bestand in diesem Jahr noch die Gelegenheit, das nahegelegene Industriemuseum Schönebeck zu besichtigen. Hier hat u.a. der ehemalige Geschäftsführer der Nammo Schönebeck GmbH, Herr Dr. Georg Plenikowski, eine ganze Reihe interessanter Exponate aus den Produktionsstandorten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Schönebeck und Gnaschwitz) gesammelt und in dem Museum ausgestellt.