Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Er wirkt sich auch auf die Beschäftigten an ihren Arbeitsplätzen aus. Durch den Klimawandel hervorgerufene Stressoren sind unter anderem Hitze, UV-Strahlung und psychische Belastungen. Aber auch die Entwicklung allergischer Erkrankungen wird durch den Klimawandel beeinflusst. Vorgestellt werden Projekte aus dem IPA, die sich direkt oder indirekt mit den Folgen des Klimawandels beschäftigen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen die Unfallversicherungsträger bei der Prävention von klimabedingten Risiken in der Arbeitswelt und an Bildungseinrichtungen unterstützen.
Auswirkungen des Klimawandels sind in Betrieben spürbar Die Folgen des Klimawandels wirken sich direkt und indirekt auf die Bedingungen von Beschäftigten an verschiedenen Arbeitsplätzen aus. Dabei kann die Wirkung der klimatischen Veränderungen sehr unterschiedlich sein. Dies betrifft physikalische Faktoren der Arbeitsumgebung, wie zum Beispiel Hitze. Zudem kommt es zu gesundheitlichen Folgen, wie Hautkrebs durch UV-Strahlung oder neue Infektionserkrankungen durch Vektoren. Auch weitet sich das allergische Geschehen aus. Ein weiteres Thema sind Gefahrstoffe beispielsweise in neuen Speichertechnologien.
Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn hat Unternehmerinnen und Unternehmer aus ganz Deutschland befragt, wie sie Klimarisiken wahrnehmen und wie sie mit ihnen umgehen. In den vergangenen fünf Jahren haben sich Ereignisse wie Extremwetter, Hitze oder Hoch- und Niedrigwasser auf die Geschäftstätigkeit von 50 % der Großunternehmen ausgewirkt. 41 % der kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) gaben ebenfalls an, die Auswirkungen zu spüren (Rieger-Fels & Schlepphorst 2023). In ihrem Fazit stellen die Autoren fest, dass die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer sich mit den Folgen des Klimawandels für das eigene Unternehmen beschäftigen. Dennoch sehen sich insbesondere Unternehmerinnen und Unternehmer von KMU nicht ausreichend über mögliche Maßnahmen informiert, wie sie ihre Betriebe und damit die Arbeitsplätze an den Klimawandel anpassen können.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) befragte mehr als 1.000 Beschäftigte, wie stark ihre Unternehmen bereits heute vom Klimawandel betroffen sind. Knapp die Hälfte davon waren Führungskräfte. Ein Viertel aller Befragten gab an, dass sich der Klimawandel bereits auf die Arbeitsplätze und Tätigkeiten im Betrieb ausgewirkt habe. Zu den dringendsten Problemen zählen laut der Befragten Hitze und Hitzestress sowohl an Outdoor- als auch an Innenraumarbeitsplätzen. Psychische Belastungen, UV-Strahlung bei Arbeiten im Freien und Gefahren durch Krankheitserreger wurden ebenfalls benannt (DGUV 2022).
Der Klimawandel ist da. Seine Auswirkungen sind in allen Lebensbereichen zu spüren. Im Bereich des Arbeitsschutzes gibt es zwei große Herausforderungen:
Erstens der Schutz der Menschen vor den bereits heute sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels wie Hitze, Extremwetterereignissen, UV-Strahlung und zunehmender Allergenbelastung. Hauptsächlich betroffen sind Beschäftigte, die im Freien arbeiten.
Zweitens die Abschätzung der gesundheitlichen Folgen von ergriffenen Maßnahmen, um den Klimawandel abzumildern und die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Dazu gehören unter anderem: Reduzierung der Treibhausgasemissionen durch verbesserte Nutzung von Energie, verstärkter Einsatz regenerierbarer Energien, klimaneutraler Umbau der Industrie, veränderte Handlungsweisen für die Landwirtschaft, den Verkehr und die Nahrungsmittelproduktion.
Hitze an Arbeitsplätzen
Schon jetzt stellt Hitze eine der größten Gesundheitsgefahren in Europa dar. Sie ist ein Grund für die Zunahme arbeitsbezogener Belastungen und Fehlzeiten, die mit weitreichenden Produktivitätseinbußen einhergehen. So schätzt die International Labour Organization (ILO), dass bis zum Jahr 2030 voraussichtlich jährlich mehr als zwei Prozent der weltweiten Gesamtarbeitszeit ausfallen, weil es entweder zu heiß zum Arbeiten ist oder weil die Beschäftigten langsamer arbeiten müssen (ILO 2019).
Neben den akuten gesundheitlichen Auswirkungen kann Hitzeeinwirkung auch zu Komplikationen bei chronischen Erkrankungen führen. Von Hitzebelastung oder extremen Wetterereignissen sind besonders Beschäftigte betroffen, die im Freien arbeiten und solche, deren Tätigkeit körperlich anstrengend ist. Besonders die Land- und Forstwirtschaft, das Baugewerbe, die Postzustellung und die Fischerei gelten als stark gefährdete Sektoren.
Je nach Arbeitsplatz und Tätigkeit liegt die optimale Temperatur zwischen 16°C und 24°C. Steigende Temperaturen verringern die Produktivität von Beschäftigten, da sie das Risiko von Ermüdung erhöhen und die Konzentrationsfähigkeit verringern (Kjellstrom et al. 2009; Levi et al. 2018). Betroffen davon sind auch Beschäftigte in Innenraumarbeitsplätzen, wenn die Gebäude nicht ausreichend isoliert sind oder kein Kühlungs-/Lüftungssystem vorhanden ist. Gemäß der Arbeitsstättenregel (ASR) soll die Temperatur in Arbeitsräumen 26°C nicht übersteigen (ASR 2022). Wird die Raumtemperatur von 26° C überschritten, werden in der ASR unter anderem die folgenden Maßnahmen genannt: Optimierung der Lüftung, Lüftung in den frühen Morgenstunden, Gleitzeitregelungen,Nutzung von Ventilatoren. Werden sogar 35°C überschritten, ist der Raum nicht mehr zum Arbeiten geeignet. Daten der Krankenkassen zeigen, dass es an heißen Tagen drei- bis viermal mehr Krankschreibungen gibt, als an Tagen mit saisonal üblichen Temperaturen.
In ihrem Kompendium zur Gesundheit und Umwelt hat die WHO zum Schutz der Outdoor-Worker vor Hitzestress folgende Maßnahmen empfohlen: Verlagerung der Arbeitszeit in kühlere Tageszeiten, häufigere Wechsel von Pausen und Arbeit, angemessene Kleidung, Schulung der Beschäftigten zu Auswirkungen von Hitze (World Health Organization 2022).
Zunehmende Vegetationsbrände – Exposition von Feuerwehreinsatzkräften
Risikountersuchungen sagen für die kommenden Jahrzehnte ein steigendes Waldbrandrisiko für Deutschland voraus. Dies liegt im Wesentlichen an erhöhten Temperaturen und rückläufigen Niederschlägen in den Frühjahrs-, Sommer- und Herbstmonaten. Mit deutschlandweit 2.397 Waldbränden war 2022 ein deutlich überdurchschnittliches Waldbrandjahr im Vergleich zum mehrjährigen
Mittel der Jahre 1993 bis 2021 von 1.029 Waldbränden (Umweltbundesamt 2023). Welchen besonderen Gefährdungen gegenüber krebserzeugenden Stoffen Feuerwehreinsatzkräfte in Deutschland bei einem Brandeinsatz ausgesetzt sind, war bisher nicht hinreichend bekannt. Das Projekt des IPA zum Krebsrisiko im Feuerwehrdienst hat hierzu erste Erkenntnisse zur Belastungssituation für deutsche Feuerwehren geliefert. Es zeigte sich, dass derzeit eingesetzte Präventionsmaßnahmen wie Atemschutz, Handschuhe und korrekt angelegte Schutzkleidung geeignet sind, die Belastung mit krebserzeugenden Polyzyklischen Aromatische Kohlenwasserstoffen (PAK) zu minimieren (Taeger et al. 2023). Jedoch kann generell nicht ausgeschlossen werden, dass ein individuell erhöhtes Krebsrisikos durch die Brandbekämpfung besteht. In einer ersten Studie wurden hauptsächlich Wohnungsbrände untersucht. Erkenntnisse zur Belastung bei der Bekämpfung von Vegetationsbränden liegen bisher nicht vor. Diese sollen jetzt im Folgeprojekt „FeuerExpo“ gewonnen werden. Auf Basis dieser Ergebnisse können Strategien und Verhaltensweisen entwickelt werden, die zu einer wirksamen Expositionsvermeidung im Einsatzalltag führen können.
UV-Strahlung
Neben der zunehmenden Hitzeeinwirkung sind „Outdoor-Worker“ auch einer erhöhten Belastung durch UV-Strahlung ausgesetzt. Für diese Beschäftigten ist die Jahresexposition schon heute durch solare ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) bis zu dreimal höher als bei Beschäftigten, die in Innenräumen arbeiten. Mit steigender UV-Lebensdosis besteht ein erhöhtes Risiko, an weißem Hautkrebs zu erkranken. 2015 wurden bestimmte UV-bedingte Hautkrebsarten als Berufskrankheit Nummer 5103 in dieListe der Berufskrankheiten aufgenommen. Jährlich werden heute bereits mehr als 3.000 Fälle als Berufskrankheit anerkannt.
Die Ergebnisse einer Untersuchung von Görig et al. (2023) aus dem Jahr 2023 lassen aufhorchen. Sie befragten Beschäftigte zu UV-Schutzmaßnahmen an ihren Arbeitsplätzen. Dabei zeigte sich, dass der UV-Schutz am Arbeitsplatz oftmals nicht richtig ernst genommen wird. Gut ein Viertel der im Freien Beschäftigten gaben an, dass sie nie oder kaum Gelegenheit hätten, im Schatten zu arbeiten oder während ihrer Pausen im Schatten verweilen zu können. Ein Drittel hatte die Möglichkeit, in den heißen Sommermonaten die Arbeit früher zu beginnen. Etwa die Hälfte bekam Sonnenschutzbekleidung und nur ein Viertel Sonnenschutzcremes zur Verfügung gestellt.
Entstehung von Hautkrebs infolge UV-Strahlung
Bereits in der Vergangenheit war das IPA unter anderem am Kooperationsprojekt „Durch UV-Strahlung induzierte bösartige Hauttumore“ beteiligt. Es zeigte sich, dass Berufe in den Bereichen Landwirtschaft, Tier- und Pflanzenzüchter, Bau-Außengewerbe und Schlosser/Installateure/Rohrleitungsbauer (mit Außenbeschäftigung) ein besonders hohes Erkrankungsrisiko für hellen Hautkrebs in Form sogenannter Plattenepithelkarzinome haben. Untersucht wurden insbesondere Beschäftigte, die vornehmlich im Freien arbeiten (Diepgen 2017).
Im Rahmen des IPA-Projektes „Berufsdermatologie“ sollen nun neue Erkenntnisse zu Hautkrebsarten wie dem Basalzellkarzinom und dem Plattenepithelkarzinom nach beruflicher UV-Exposition generiert werden. Ziel ist es, sowohl medizinische als auch UV-belastungsbezogene Kriterien zu identifizieren, damit eine wissenschaftlich fundierte Abgrenzung zur „Volkskrankheit Basalzellkarzinom“ besser möglich ist. Diese Erkenntnisse sollen mit dazu beitragen, die Präventionsmaßnahmen weiter zu optimieren.
Die aktinische Keratose ist eine Vorstufe von Hautkrebs, die sich unbehandelt zu hellem Hautkrebs, dem sogenannten kutanen Plattenepithelzell-Karzinom (cSCC) entwickeln kann. Aktinische Keratosen treten vor allem im Gesicht, an den Handrücken, Unterarmen oder kahlen Stellen auf der Kopfhaut auf. Wie aber entsteht heller Hautkrebs aus der aktinischen Keratose? Was genau führt zu dieser Komplikation? Dieser Frage widmet sich ein aktuell gestartetes Verbund-Projekt der Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie im St. Josef-Hospital Bochum und des IPA. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen den Unfallversicherungsträgern als Grundlage und Hilfestellung dienen, um gefährdete Personen gezielt und vor allem mit individuell angepassten Präventions- und Therapiemaßnahmen zu unterstützen.
Sonnenschutzmittel
Damit Outdoor-Worker, sich ausreichend vor der zunehmenden Belastung durch UV-Strahlung schützen können, gibt es verschiedene Maßnahmen nach dem sogenannten STOP-Prinzip (Substitution – technische Maßnahmen – Organisatorische Maßnahmen und Persönliche Schutzmaßnahmen). Zum Schutz von Körperstellen, die nicht hinreichend abgedeckt werden können, ist der Einsatz von Sonnenschutzmittel essentiell. Diese enthalten sogenannte UV-Filter, die in den Körper aufgenommen werden können. Unklar ist, ob bei wiederholter und großflächiger Anwendung gesundheitliche Gefährdungen entstehen können. Im IPA werden Human-Biomonitoring- Methoden entwickelt, die anhand von Biomarkern eine Abschätzung der aufgenommenen Mengen bestimmter UV-Filter erlauben (Bury et al. 2019; Bury et al. 2022). Sie ermöglichen die Beurteilung der Expositionshöhe in der Bevölkerung und bei Beschäftigten. Die Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes hat auf Basis von Studiendaten des IPA zur Verstoffwechslung der UV-Filter Octocrylen und 2-Ethylhexylsalicylat (Octisalat) im Menschen eurteilungswerte (HBM-Werte) abgeleitet. Diese ermöglichen eine Risikobewertung auf Basis der gemessenen Biomarker-Konzentrationen. Das Human-Biomonitoring für die UV-Filter kann somit einen wertvollen Beitrag zu einem ausgewogenen Maßnahmenkonzept zur Prävention zunehmender klimawandelbedingter gesundheitlicher Schäden leisten.
Allergische Erkrankungen
Allergische Erkrankungen der Atemwege und der Haut, die durch Expositionen an Arbeitsplätzen auftreten, können durch direkte und indirekte Folgen des Klimawandels entstehen oder beeinflusst werden (Bergmann et al. 2023). Der Land- und Forstwirtschaftssektor ist in hohem Maße für klimabedingte Veränderungen anfällig. Er stellt mehr als 44 Millionen Arbeitsplätze in der EU. Dies entspricht einem Anteil von 9,2 % der Gesamtbeschäftigten.
Der Klimawandel verschiebt nicht nur die Vegetationsperiode, sondern verstärkt auch die Pollenproduktion. In der Folge ist die Luft stärker mit Pollen angereichert. Verantwortlich dafür sind sowohl die höheren Temperaturen als auch der höhere CO2-Gehalt der Luft. Nimmt das Kohlendioxid in der Atmosphäre zu, wird die Photosynthese gesteigert. Die Pflanzen vermehren sich stärker und erzeugen größere Mengen an Pollen und damit auch an Allergenen. 12 Millionen Menschen in Deutschland reagieren überempfindlich auf Pollen. In allen Industrieländern gehören Allergien zu den häufigsten chronischen Erkrankungen.
Entwicklung von Testtools zum Nachweis neu auftretender Allergene
Ein verstärkt klimabedingtes gesundheitliches Problem wird durch den Pilz Cryptostroma corticale hervorgerufen. Er verursacht bei Ahornbäumen die sogenannte Rußrindenkrankheit. In Deutschland sind Ahornbäume durch die klimatischen Veränderungen wie Trockenheit und extreme Hitzeperioden verstärkt davon betroffen. Das Einatmen der Sporen von C. corticale kann bei Personen mit intensivem, beruflichem Kontakt zu befallenen Bäumen oder Hölzern zu gesundheitlichen Problemen führen. Hiervon können zum Beispiel Wald- und Forstarbeiter oder Beschäftigte in der Papierherstellung betroffen sein. Exponierte Personen können in der Folge an einer exogen allergischen Alveolitis (EAA) erkranken (Kespohl et al. 2022b; Braun et al. 2021). Hier entwickelte das IPA in Zusammenarbeit mit verschiedenen Unfallversicherungsträgern und Forschungseinrichtungen diagnostische Tools zum Nachweis von Antikörpern gegen Cryptostoma corticale Sporen- und Myzelantigenen. Somit ist es nun möglich, EAA-Verdachtsfälle von Beschäftigten mit klinischen Symptomen, bei denen eine Exposition gegen C. corticale vermutet wird, durch die Bestimmung der spezifischen Antikörper im Serum besser zu diagnostizieren. Die Bestimmung von C. corticale spezifischen Antikörpern stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnose dieser Form der EAA dar (Kespohl et al. 2022a).
Ein Profiteur des Klimawandels ist unter anderem auch der Eichenprozessionsspinner Thaumetopoea processionea. Besonders starke Populationen werden beobachtet, wenn in den Frühjahrsmonaten mildes Wetter herrscht und die Bedingungen besonders während des Falterfluges und der Eiablage im Spätsommer gut sind. Der Eichenprozessionsspinner verursacht forstwirtschaftliche Schäden. Zudem stellt er eine gesundheitliche Gefährdung für den Menschen dar. So kann das Einatmen der feinen Härchen Atembeschwerden wie Bronchitis und Asthma induzieren. Der Hautkontakt mit den Brennhärchen kann zu Pusteln, Rötungen, Juckreiz und Ausschlag führen. Betroffen sind hier unter anderem Land- und Baumpfleger. Bei einem am IPA untersuchten Landschafts- und Baumpfleger konnte eine IgE-vermittelte Typ I-Sensibilisierung nachgewiesen werden.
Schimmelpilze auf dem Vormarsch
Eine erhöhte Feuchtigkeit in Kombination mit höheren Temperaturen und CO2-Werten fördert das Pilzwachstum. Infolge des Klimawandels treten vermehrt Hochwasserereignisse auf. Bei den anschließenden Sanierungsarbeiten können Beschäftigte einer erhöhten Belastung an Schimmelpilzen ausgesetzt sein. So wurde nach den Wirbelstürmen Katrina und Rita in den USA in Häusern mit großen Überschwemmungsschäden hohe Schimmelpilzkonzentrationen festgestellt. Im Gegensatz dazu war das Schimmelpilzwachstum in Häusern mit geringem oder keinem Überschwemmungsschaden deutlich niedriger. Schimmelbelastungen in Innenräumen können bei der Verschlimmerung von Asthma eine Rolle spielen. Allergenträger sind neben den Schimmelpilzsporen auch die Myzelfäden. Auch hier kann das IPA auf Basis seiner langjährig aufgebauten Expertise zum Nachweis von Schimmelpilzantigenen die Unfallversicherungsträger bei der Prävention zielgenau unterstützen.
2024 ist im IPA das übergreifende Projekt „Klimawandel und berufliche Allergien“ gestartet. Hier sollen Unfallversicherungsträger im Hinblick auf beruflich bedingte allergische Erkrankungen beraten und unterstützt werden. Außerdem soll verstärkt eine maßgeschneiderte Diagnostik für die IgE- und IgG-vermittelten allergischen Erkrankungen, die durch klimabedingte primär und sekundär veränderte Umwelt- und Arbeitsbedingungen entstehen, entwickelt werden.
Herausforderungen bei der Umgestaltung der Wirtschaft
Durch die Umgestaltung der Wirtschaft hin zu ressourcenschonenden, klimaneutralen Produkten und Prozessen entstehen neue Herausforderungen. Eine ist zum Beispiel der Umgang mit Gefahrstoffen durch die technisch notwendige Verwendung von Stoffen mit gesundheitsgefährdenden Eigenschaften in Speichertechnologien sowie dem verstärkten Ausbau regenerativer Energieformen wie Windrädern und Solarzellen. Auch bei der klimaneutralen Sanierung von Häusern kann es während der Baumaßnahmen für die Beschäftigten zu einer erhöhten Belastung mit Gefahrstoffen kommen. Hier ist die Forschung gefordert, auch diesen Bereich im Fokus zu haben.
Neue Materialien – neue Gefährdungen?
Faserverbundwerkstoffe und Nanomaterialien sind angesichts des klimaneutralen Umbaus unserer Gesellschaft ein Wachstumsmarkt. Carbonfaserverstärkte Kunststoffe, aber auch die sehr viel kleineren, mehrwandigen Kohlenstoffnanoröhren (MWCNT) haben ein großes Potenzial, um in elektrotechnischen Bauteilen bei der Elektromobilität, der Luftfahrt, bei Windrädern aber auch in der Solartechnik eingesetzt zu werden. Im Tiermodell waren MWCNT jedoch stark krebserregend. Entsprechend werden sie nach aktueller Definition der europäischen Chemikalienagentur als Karzinogen der Kategorie 1B (für Menschen wahrscheinlich krebserregend, erwiesenermaßen krebserregend im Tierversuch) eingestuft. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Einsatzes von neuen Materialien, ist davon auszugehen, dass Beschäftigte zukünftig auch an Arbeitsplätzen, zum Beispiel beim Recycling, gegenüber MWCNT ausgesetzt sein können.
Mit dem am IPA etablierten sogenannten Partikel-induzierten Zellmigrationstest (Particle induced Cell Migration Assay – PICMA) ist es bereits heute möglich, die Wirkung von Partikeln, zu denen Bruchstücke von Carbonfasern als auch MWCNT gehören, hinsichtlich ihres entzündlichen Potenzials zu untersuchen. PICMA ist ein Lungenzellkulturmodell für Entzündungsreaktionen, die durch Partikel, inschließlich Fasern, verursacht werden. Untersuchungen am IPA zeigen, dass Bruchstücke von Carbonfasern im Test nur eine leicht entzündliche Wirkung hervorrufen, während MWCNT ein sehr stark ausgeprägtes entzündliches Potenzial zeigten.
Zusätzlich ist ein Projekt geplant, in dem Biomarker zum Nachweis einer Exposition gegen MWCNT und auch Asbest identifiziert und validiert werden sollen. Sie können dann im Rahmen eines iomonitorings von gefährdeten Beschäftigten eingesetzt werden und dazu beitragen, entsprechende Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.
Belastung durch Asbest bei energetischen Gebäudesanierungen
Alle Gebäude der Welt zusammen verursachen knapp ein Drittel des globalen End-Energieverbrauchs und etwa ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen. Die Energienutzung von Gebäuden in Industrieländern ist in der Regel sehr ineffizient. Das Umweltbundesamt empfiehlt einen schnellen Beginn von umfassenden Gebäudesanierungen. Problematisch ist jedoch, dass beim Bau vieler vor 1993 errichteten Gebäude Asbest eingesetzt wurde. In der Regel wurde es Zement, Beton, Farbe, Kleber oder Spachtelmassen beigemischt. Man schätzt, dass rund 9,5 Millionen Wohnhäuser, die zwischen 1950 und 1989 in Deutschland errichtet wurden, in irgendeiner Form mit Asbest belastet sind. Asbest galt lange Zeit als Wunderfaser, die hitzebeständig, schwer entzündlich und kostengünstig ist. Asbest ist jedoch eindeutig krebserregend. Eingeatmete Fasern können unter anderem Lungenkrebs und Mesotheliome hervorrufen. Hinsichtlich der verstärkten Renovierungstätigkeiten wird befürchtet, dass ohne entsprechende Präventionsmaßnahmen Asbest-bedingte Erkrankungen auch zukünftig vermehrt auftreten können. Um erfolgreich Präventionsmaßnahmen einzuführen und bereits Erkrankte bei einer besseren Therapie unterstützen zu können, hat das IPA bei der MoMar-Studie in den letzten Jahren Tests zur Früherkennung von Mesotheliomen entwickelt und etabliert (Johnen & Brüning 2020). Eine Früherkennung der Mesotheliome war bislang diagnostisch mit den eingesetzten radiologischen erfahren nicht möglich. Durch den neu entwickelten Test mit Nachweis bestimmter Biomarker, kann die Erkrankung ohne zusätzliche Strahlenbelastung im Blut von Betroffenen frühzeitig nachgewiesen werden. Im Pilotprojekt für ein erweitertes Vorsorgeangebot zur Früherkennung von Mesotheliomen (EVA-Mesothel), an dem das IPA beteiligt ist, werden diese Marker bereits eingesetzt.
Fazit
Eine genaue Einschätzung der gesundheitlichen, aber auch wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels auf die Arbeitswelt ist derzeit noch nicht voll umfänglich möglich.
Proaktives Handeln durch gezielte Forschung ist notwendig, um die mit dem Klimawandel verbundenen primären und sekundären Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz verstärkt zu erkennen. Betriebe und Bildungseinrichtungen sind in der Verantwortung, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten. Unter dem Einfluss des Klimawandels müssen angepasste und neue Präventionsmaßnahmen identifiziert und erforscht werden. Bei nachgewiesener Effektivität werden sie in der Praxis angewandt und in das Arbeitsschutz-Regelwerk einfließen. Grundlage für die Umsetzung dieser Präventionsmaßnahmen sind dabei auch die Forschungsergebnisse des IPA.
Der Klimawandel wirkt sich in vielfältiger Weise auf die Gesundheit der Beschäftigten aus. Besonders betroffen sind Outdoor-Worker.
Forschungsanstrengungen müssen verstärkt werden, um die Folgen des Klimawandels zu erkennen und erforderliche Präventionsmaßnahmen zu etablieren.
In verschiedenen Projekten des IPA wird mit Fokus auf Sicherheit und Gesundheit an Arbeitsplätzen über direkte und indirekte Auswirkungen des Klimawandels geforscht.
Prof. Dr. Thomas Brüning
Prof. Dr. Monika Raulf
Dr. Monika Zaghow
IPA
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