Das Tragen von Masken gehörte während der Coronapandemie auch für Schülerinnen und Schüler vielfach zum Alltag. Welche Effekte das auf den Körper und das Befinden von Kindern und Jugendlichen hat, wurde aber wissenschaftlich in Deutschland nicht systematisch untersucht. Nachdem das IPA mögliche Auswirkungen des Maskentragens bereits in einer Studie an Erwachsenen (IPA-Maskenstudie) untersucht hat, folgt nun auf Initiative verschiedener Unfallkassen und der DGUV die „IPA-Maskenstudie Schule“, die sich auf Kinder und Jugendliche fokussiert.
Das Tragen von Masken hat sich als eine effektive Maßnahme zum Schutz vor einer Virusinfektion erwiesen. Während der Coronapandemie galt deshalb lange eine Maskenpflicht in bestimmten Bereichen. Je nach Infektionslage wurden Empfehlungen zum Tragen einer Maske und eines Maskentyps ausgesprochen. Waren es anfänglich eher Stoffmasken (Mund-Nase-Bedeckung, MNB), so gingen die Empfehlungen beziehungsweise Vorgaben später zur OP-Maske (Mund-Nase-Schutz, MNS) und FFP2-Maske über. Dies galt insbesondere dann, wenn in Innenräumen der Mindestabstand nicht eingehalten werden konnte: in öffentlichen Verkehrsmitteln, aber auch an Arbeitsplätzen und in Bildungseinrichtungen.
Immer wieder gab es Berichte zu Personen, die über eine schnellere Ermüdung und höhere Beanspruchung durch das Tragen einer Maske klagten – vermehrt bei Beschäftigten, die körperlich beanspruchende Tätigkeiten ausübten. Daher führte das IPA eine „Maskenstudie“ an Erwachsenen durch. 20 Frauen und 20 Männer zwischen
18 und 65 Jahren wurden in vier Modulen mittels Lungenfunktionstest, körperlichen Belastungsuntersuchungen sowie vier Stunden am Arbeitsplatz untersucht. Verglichen wurden dabei die Effekte von drei unterschiedlichen Maskentypen (MNB, MNS und FFP2-Maske) mit der entsprechenden Situation ohne Maske. „Wir haben durch das Maskentragen ein leicht verändertes Atemmuster festgestellt“, erklärt Studienleiter Dr. Eike Marek. Die Probanden atmeten langsamer und mit einer verlängerten Atemzykluszeit, was sich leicht auf die Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentration im Blut im physiologischen Bereich auswirkte. „Insgesamt haben wir allerdings keine klinisch relevanten Auffälligkeiten beobachtet“, resümiert er. „Aus der Studie ergaben sich keine Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen durch das Maskentragen.“ Dr. Vera van Kampen, Co-Leiterin der Studie, ergänzt: „Nicht vergessen werden darf jedoch das subjektive Empfinden der Probandinnen und Probanden beim Tragen der Masken. Dieses verschlechterte sich mit zunehmender körperlicher Belastung und insbesondere bei der FFP2-Maske auch mit zunehmender Tragedauer.“
Von Ermüdungserscheinungen durch das Maskentragen berichteten auch viele Schülerinnen und Schüler während der Pandemie. Allerdings lassen sich die Erkenntnisse aus der Erwachsenenstudie nicht einfach auf Kinder und Jugendliche übertragen. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“, bringt es Dr. Eike Marek auf den Punkt. „Anatomie, Physiologie und Physiognomie sind nicht vergleichbar.“ So besitzen Kinder und Jugendliche kleinere Lungen und weisen eine höhere Atemfrequenz und einen höheren Atemwiderstand auf. Zusätzlich ist die Kopfgröße kleiner als bei Erwachsenen, was einen Einfluss auf das Maskentragen haben könnte.
Systematische wissenschaftliche Untersuchungen zum Einfluss verschiedener Maskentypen zum Schutz vor SARS-CoV-2 bei Kindern und Jugendlichen liegen auch rund drei Jahre nach Beginn der Coronapandemie kaum vor. Dabei besteht ein großer Wunsch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen von Seiten der Schulen, der Eltern, der Kinder und Jugendlichen selbst und nicht zuletzt von den Unfallkassen. Rund 2,5 Mio. Schülerinnen und Schüler sind allein bei der Unfallkasse NRW versichert. Während der Pandemie, als die Maskenpflicht in Schulen galt, sind dort immer wieder Fragen zu den damals geltenden Präventionsmaßnahmen eingegangen. „Wir sind fast täglich von Eltern und Schulleitungen angesprochen worden, die verunsichert waren“, erinnert sich Dr. Monika Broy, Leiterin der Regionaldirektion Rheinland der Unfallkasse NRW. „Immer wieder gab es Fragen, welche Vorgaben im Unterricht, welche in der Pause oder welche im Sport gelten. Im Fokus standen auch Fragen nach möglichen Leistungseinschränkungen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch das Tragen der Masken.“
Bereits im Sommer 2020 erstellte die Unfallkasse NRW eine Muster-Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf Corona für die Schulen. Diese umfasste auch Themen wie Hygiene oder Niesetikette und wurde immer wieder an den aktuellen Wissensstand angepasst. Wöchentlich stimmte sich der Unfallversicherungsträger mit dem NRW-Schulministerium über die in Schulen geltenden Corona-Schutzmaßnahmen ab. „Was aber bis heute fehlt, sind wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu den Auswirkungen des Maskentragens bei Kindern und Jugendlichen“, so Dr. Monika Broy. In einem Arbeitskreis aus Unfallkassen, dem Fachbereich Bildungseinrichtungen der DGUV, Vertreterinnen und Vertretern des IPA sowie Fachärztinnen und -ärzten für Kinder- und Jugendmedizin Lungenfunktionsuntersuchung mit Maskenadapterder Kinderklinik Bochum wurde der Wunsch nach einer eigenen Studie laut, in der die offenen wissenschaftliche Fragen beantwortet werden sollen.
Die Studie „Einfluss verschiedener Maskentypen zum Schutz vor SARS-CoV-2 auf die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit und die subjektive Beeinträchtigung bei Kindern und Jugendlichen in der Schule“, kurz „IPA-Maskenstudie Schule“, hat bereits Ende 2022 begonnen und ging in diesem Frühjahr in die Praxisphase. Ziel ist die Quantifizierung der zusätzlichen Beanspruchung von Kindern und Jugendlichen durch das Tragen von Masken (MNS sowie FFP2-Maske) anhand objektiver und subjektiver Parameter. 20 Kinder zwischen acht und zehn Jahren sowie 20 Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren sollen mittels verschiedener Versuchsabläufe mit und ohne Masken untersucht werden. Das persönliche Empfinden der Kinder und Jugendlichen wird über speziell entwickelte Fragebögen erfasst.
Obwohl das Untersuchungsspektrum im Rahmen der „IPA-Maskenstudie Schule“ dem der bereits abgeschlossenen Erwachsenenstudie sehr ähnlich und vom Umfang her sogar etwas geringer ist, musste auch für diese Studie ein positives Votum der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum eingeholt und ein umfassendes Datenschutzkonzept erstellt werden. Da es sich bei den Studienteilnehmenden um Kinder und Jugendliche handelt, waren die Anforderungen an die entsprechenden Anträge in beiden Fällen sogar noch höher. So bestand eine Anforderung der Ethik-Kommission darin, dass alle Untersuchungen von einem Kinderarzt oder einer Kinderärztin begleitet werden. Hierfür wurde eine Kooperation mit der Kinderklinik in Bochum unter der Leitung von Herrn Prof. Lücke realisiert. “Für das IPA war das sowohl im Hinblick auf die Probandenrekrutierung, die Probandenbetreuung als auch die Untersuchungen selbst eine neue Situation, für die entsprechend neue Workflows entwickelt werden mussten. Zusätzlich mussten die Untersuchungsgeräte an die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen angepasst werden”, so Dr. Eike Marek.
Der überwiegende Teil der Untersuchungen findet direkt am IPA statt. In einer Basisuntersuchung wird zunächst durch eine Kinderärztin abgeklärt, ob eine Studienteilnahme bedenkenlos möglich ist. Danach folgen Lungenfunktionsuntersuchungen, bei denen die Atemmechanik in Ruhe getestet wird. Dabei sitzen die Kinder und Jugendlichen im Bodyplethysmograph, einer Art gläserner Kammer, und atmen über ein Mundstück in ein Gerät, wobei die Nase mit einer Nasenklammer verschlossen ist. Das zu testende Maskenmaterial wird in einen speziellen Adapter eingespannt. Bei der folgenden spirometrischen Untersuchung werden Erkenntnisse über die Atemphysiologie beziehungsweise das Atemmuster im Sitzen gewonnen. Die Studienteilnehmenden sitzen dabei ruhig auf einem Stuhl und atmen sechs Minuten wiederum über den speziellen Adapter mit dem eingespannten Maskenmaterial in eine Apparatur.
Zusätzlich können 20 Kinder und Jugendliche an einer Belastungsuntersuchung teilnehmen. Mittels Fahrradergometer werden dabei die Teilnehmenden mit und ohne Maske jeweils in fünf unterschiedlichen Belastungsphasen (Ruhephase, leichte und moderate und schwere Belastung sowie eine Nachbelastungsphase) über jeweils sechs Minuten getestet. Dies soll das Tragen von Masken während des Sportunterrichts oder anderer körperlicher Aktivitäten simulieren. Gemessen werden dabei auch die Konzentrationen an Sauerstoff und Kohlendioxid im Blut, die Aufschluss darüber geben, ob bei körperlicher Anstrengung durch die Maske ausreichend Luft eingeatmet wird.
Das letzte Untersuchungsmodul findet in der Schule statt und wird wiederum von allen 40 Schülerinnen und Schülern durchlaufen. Sie werden dafür mit tragbaren Aufzeichnungsgeräten ausgestattet, um während des Unterrichts jeweils 90 Minuten mit den beiden Maskentypen sowie ohne Maske als Vergleich atmungs- und kreislaufbezogene Daten aufzuzeichnen. Dabei werden die Masken normal, also wie im Pandemie-Alltag, getragen. Während des Versuchs werden über einen Fragebogen verschiedene Symptome sowie das Masken-Tragegefühl erfasst.
Bereits zu Beginn der Studie zeigte sich die Herausforderung, Schulen zu finden, die an der Studie teilnehmen wollen. „Die Nachwirkungen der Pandemie haben die Schulen an ihre Leistungsgrenze gebracht“, weiß Dr. Monika Broy. „Strukturen und Abläufe ändern sich noch immer, da ist eine Studie mit ihren ganzen Vorgaben nicht leicht zu integrieren.“ Inzwischen finden aber die ersten Messungen an zwei Bochumer Schulen statt: Die Schiller-Schule, ein Gymnasium, sowie die Matthias-Claudius-Schule, eine Grund- und Gesamtschule in privater Trägerschaft nehmen teil. „Wir brauchen dieses Modul, um die Daten, die wir in der Laborumgebung sammeln, mit denen aus dem Schulalltag abzugleichen“, erklärt Dr. Eike Marek. „Ich habe bereits so viele Corona-Studien gelesen, die nicht der Alltagssituation entsprechen und mit deren Daten wir in der Praxis nur bedingt arbeiten können.“ Bis zum September 2023 war etwa ein Viertel der Studienteilnehmenden für die „IPA-Maskenstudie Schule“ untersucht worden. Bis zu den Weihnachtsferien sollen die praktischen Untersuchungen im Labor und den Schulen abgeschlossen sein. Die Studienleiter Dr. Eike Marek und Dr. Vera van Kampen rechnen damit, dass die erhobenen Daten 2024 ausgewertet sind und erste Ergebnisse vorgestellt werden können.
Auch wenn für viele Menschen die Coronapandemie der Vergangenheit angehört, bedeutet für Dr. Monika Broy diese Studie eine wichtige Investition in die Zukunft: „Im Hinblick auf den Klimawandel und die Mobilität von Menschen müssen wir damit rechnen, wieder in eine Pandemie zu kommen und Masken zur Prävention tragen zu müssen.“ Sie ist überzeugt, dass die Studienergebnisse der Unfallversicherung – aber auch Behörden, Ministerien und anderen Institutionen – helfen können, Trageempfehlungen für Masken zu formulieren, denen wissenschaftliche Daten zugrunde liegen: „Eine faktenbasierte Vorgabe führt zu mehr Akzeptanz und nimmt Ängste, nicht nur bei Schülerinnen und Schülern, Eltern und dem Lehrpersonal.“
Weitere Informationen zur Studie
Fachliche Ansprechpersonen:
Dr. Eike Marek
Dr. Vera van Kampen
IPA
Die Autorin:
Vicki Marschall
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