Sie fehlen, und zwar in vielen Branchen: Arbeitskräfte. Der Mangel wirkt sich auch negativ auf die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit aus. Es ist Aufgabe der Politik, die nötigen Weichen zu stellen. Aber auch sichere, gesunde und menschengerecht gestaltete Arbeitsplätze tragen dazu bei, dass Beschäftigte und ihr Wissen der Wirtschaft lange erhalten bleiben.
Fehlendes Personal wirkt sich auf sicheres und gesundes Arbeiten aus. Das zeigt eine Befragung des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA). Demnach ist das Fehlen von Fachpersonal in 33 von 42 Branchen absehbar ein Risiko für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Die einsetzende Verrentung der Generation "Babyboomer" wird diesen Trend noch verschärfen.
"Wenn Belegschaften schrumpfen, erhöht das meist den Druck auf die, die bleiben. Arbeitsverdichtung und Stress sind mögliche Folgen", sagt der Direktor des IFA, Professor Dr. Dietmar Reinert. Zudem fänden sich in der Arbeitswelt immer mehr Fachfremde oder Ungelernte. "Stress und mangelndes Fachwissen lassen die Wahrscheinlichkeit für Fehler und Arbeitsunfälle steigen." Umso wichtiger ist es, Präventionsmaßnahmen, wie regelmäßige Unterweisungen, konsequent anzuwenden und Arbeit menschengerecht zu gestalten. Denn Stress kann auf Dauer zu noch mehr Ausfällen führen, wenn Körper oder Seele erkranken.
Vielfalt und Flexibilität leben
"Um mehr Menschen in Arbeit zu bringen, muss die Arbeitswelt diverser werden", erläutert Reinert. Der Arbeitsmarkt muss für alle Personen zugänglich sein – unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft, körperlichen und geistigen Fähigkeiten oder den Berufsabschlüssen, die sie mitbringen. Themen des Arbeitsschutzes müssen folglich für die diversen Zielgruppen verschieden aufbereitet werden. Bildgestützte Unterweisungen, Übersetzungshilfen, barrierefreie und mehrsprachige Angebote sowie die Reflexion unter genderspezifischen Gesichtspunkten sind erste Lösungsansätze.
Langfristig gesund arbeiten
Es ist ebenso wichtig, die Beschäftigungsfähigkeit bis zur Rente zu erhalten. Grundlage dafür sind lebenslanges Lernen und eine alternsgerecht gestaltete Arbeit. "Ein frühes Ausscheiden durch berufsbedingte Beanspruchungsfolgen oder Krankheiten muss verhindert werden. Dafür braucht es in Betrieben und Bildungseinrichtungen eine Kultur der Prävention", betont Reinert. Diese regelt organisatorische Maßnahmen in den Bereichen Sicherheit, Gesundheit, Organisations- und Personalentwicklung sowie der Unternehmenskultur. Nachrangig können auch technische Hilfsmittel wie Hebesysteme oder künstliche Intelligenz Beschäftigte potenziell entlasten. Nach Unfällen oder Zeiten einer langen Arbeitsunfähigkeit muss das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) eine Selbstverständlichkeit sein.
Gesunde und sichere Arbeitsplätze sind nicht die finale Lösung für den Arbeitskräftemangel – jedoch ein wichtiger Beitrag. "Wer schlechte Arbeitsbedingungen bietet, findet oft auch nicht mehr genügend Fachkräfte. Deshalb sind sichere und gesunde Arbeitsplätze ein Mittel sowohl der Personalgewinnung als auch der Personalbindung", betont Reinert.